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So einig war man sich nicht immer. Die Kanzlerin stand Nicolas Sarkozys (rechts) Plänen einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik früher skeptischer gegenüber. Foto: Olivier Hoslet/dpa

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Politik: Doch Wirtschaftsregierung für Euroland?

Projekt von Merkel und Sarkozy / Länder der Währungszone sollen gemeinsame Standards festlegen

Von Robert Birnbaum

Berlin - Der Plan ist ein bisschen heikel für Angela Merkel, nicht nur in Brüssel, sondern auch in Berlin. Was die Kanzlerin am Freitag den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beim Mittagessen servieren will, fassen Euro-Skeptiker daheim und Deutschland-Sskeptiker in Europa erst mal nur mit spitzen Fingern an. Es geht faktisch um eine Art Wirtschaftsregierung für die Euro-Zone – ein Wort, das Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy bei der geplanten gemeinsamen Präsentation allerdings leichter über die Lippen gehen dürfte als der deutschen Kanzlerin. Denn ausgerechnet in ihrer eigenen Koalition herrscht alles andere als einhellige Begeisterung für das Projekt. In der FDP wie in der CSU wittern manche einen Ausverkauf nationaler Kompetenzen.

Deutsche Regierungsvertreter reden denn auch ziemlich konsequent nur von „stärkerer wirtschaftspolitischer Koordinierung“ im Euro-Raum. Merkel selbst hat den Enthusiasmus der Franzosen für eine solche übernationale Abstimmung lange nicht geteilt. Doch seit der Euro- Krise und dem Beinahe-Zusammenbruch Griechenlands und Irlands ist klar: Ein wichtiger Grund für diese Krise sind die massiven Ungleichgewichte unter den Euro-Staaten, und das nicht nur in Fragen der Haushaltsdisziplin. Solange diese grobe Unwucht besteht, lohnt es sich für Spekulanten, an den Finanzmärkten gegen die Wackelkandidaten zu wetten. Gleichzeitig strapaziert sie die europäische Solidarität in einem Maß, das rasch auch Material für eine innenpolitische Schlacht liefern könnte. Nicht zufällig hat die CSU-Spitze schon vor Wochen für sich beschlossen, das Thema Euro-Krise nicht zu befeuern – das führe nämlich, sagt ein führender Christdemokrat, unweigerlich in den Populismus.

Den einen möglichen Ausweg hat die EU mit Kreditgarantien und den halb verdeckten Stützungskäufen der Europäischen Zentralbank für maue Staatspapiere schon beschritten; er läuft aber in letzter Konsequenz auf eine in den EU-Verträgen ausdrücklich untersagte Transferunion hinaus. Der gemeinsame deutsch-französische Vorstoß zielt darauf ab, den Krisenfall künftig weniger wahrscheinlich zu machen. Er soll zugleich den Märkten anzeigen, dass sich weiteres Spekulieren gegen schwache Euro-Länder nicht auszahlt, weil die 17 Euro-Staaten ihre Gemeinschaftswährung verteidigen werden. „Wir sind der Überzeugung, dass wir ein Signal brauchen, dass wir die wirtschaftspolitische Koordinierung in der EU verbessern wollen“, sagt ein deutscher Spitzendiplomat zwei Tage vor dem Gipfel. „Wir müssen die Glaubwürdigkeit der Euro-Zone an den Märkten stärken.“

Wie das genau aussehen soll, liegt noch etwas im Nebel. Merkel und Sarkozy wollen ihr Projekt am Freitag vorstellen und erreichen, dass es prinzipiell in das Gesamtpaket der Euro-Rettungsmaßnahmen aufgenommen wird. Details sollen bis zum nächsten EU-Gipfel im März ausgearbeitet werden. In groben Umrissen soll es darum gehen, dass die Staats- und Regierungschefs der Eurozone sich auf gemeinsame Ziele zur „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“ verständigen. Auch Nicht-Euro-Länder sollen mitmachen dürfen bei diesem „System 17 plus“. Als denkbare Zielfelder werden in Berlin Haushaltsdisziplin à la Schuldenbremse, Lohnleitlinien oder Renteneintrittsalter genannt. Die EU-Kommission soll mit ihrer Statistikkapazität die Umsetzung überwachen.

Ein Problem dabei ist die Verbindlichkeit solcher Selbstverpflichtungen. Viel mehr Sanktionsmöglichkeiten als den Gruppendruck unter den EU-Länderchefs halten auch deutsche Vertreter nicht für machbar; alles andere würde eine zeitraubende und kaum mehrheitsfähige Änderung der EU-Verträge erfordern. Das zweite Problem ergibt sich daraus und ist prinzipieller Natur: Für Haushaltsdisziplin oder das Rentenalter ist die EU nicht zuständig. „Wir reden hier von nationalen Kompetenzen“, betonen denn auch deutsche Diplomaten. Die Länderchefs könnten den Euro-Partnern zwar Schritte zusagen, müssten die aber in den nationalen Parlamenten durchkriegen. Kritiker befürchten gleichwohl, dass der Mechanismus nationale Eigenständigkeit gefährdet, schon weil er europäisch-moralischen Erfolgsdruck erzeugt.

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