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Vorhut. Bundeskanzlerin Merkel und der britische Regierungschef Cameron beim Weltwirtschaftsforum in Davos.

© dpa

Doha-Runde: Ungewöhnliche Allianz in Davos

Deutschland, Großbritannien und Indonesien fordern auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos den Abbau globaler Handelsschranken bis Jahresende.

Politiker seien ja prinzipiell vorsichtige Menschen, sagt die Kanzlerin und lächelt. „Das heißt, es gibt gewisse Wahrscheinlichkeiten, dass es klappt.“ Es geht um die Doha-Runde, die seit zehn Jahren laufenden Verhandlungen zum Abbau globaler Handelsschranken, benannt nach der Hauptstadt von Katar, wo es losging. Kein Gipfeltreffen der G 8 oder G 20 kommt seitdem ohne Doha-Bekenntnis aus, auch beim Weltwirtschaftsforum in Davos ist das nichts anders. Doch diesmal geht von dem Treffen in den Schweizer Alpen neuer Schwung aus: Merkel, der britische Premierminister David Cameron und Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono haben eine Frist bis Jahresende gesetzt.

Es ist ein ungewöhnliches Signal und eine noch ungewöhnlichere Allianz, die sich auf dem G-20-Gipfel von Seoul im November von der Öffentlichkeit unbemerkt bildete und jetzt in Davos unmissverständlich auftritt. Das Trio, das für knapp ein Zehntel der globalen Wirtschaftsleistung steht, gab damals eine Untersuchung in Auftrag, wie die Doha-Runde doch noch ein Erfolg werden könne. Jetzt liegt sie vor, und es steht eine atemberaubende Zahl darin: Das Volumen des zusätzlichen Handels, den das Abkommen ermöglichen würde, beziffern die Autoren auf 360 Milliarden Dollar pro Jahr. „Ein Konjunkturimpuls, der kein Geld kostet“, sagt Cameron.

Mit der Frist bis Silvester übernehmen Merkel, Cameron und Yudhoyono die zentrale Forderung des Papiers. „Diese Frist sollte unflexibel sein und alle Beteiligten auf der Ebene der Regierungschefs binden“, schreiben die beiden Autoren, der in New York lehrende indische Ökonom Jagdish Bhagwati und der frühere irische EU-Kommissar Peter Sutherland. „Die Frist ist richtig gesetzt“, sagt Merkel – und fügt hinzu, dass ihr vor Weihnachten noch lieber wäre. „Dies muss das Jahr sein, in dem es passiert“, unterstreicht auch Cameron. „Scheitern ist keine Option“, stellt Yudhoyono klar. Auf keinen Fall möchte man in den US-Präsidentschaftswahlkampf 2012 geraten.

Pascal Lamy, der Präsident der Welthandelsorganisation WTO, beziffert den Grad der Einigung auf 80 Prozent. Das sehen die Autoren ähnlich: „Es ist viel erreicht worden“, sagt Sutherland. Auf 15 Seiten wird der Stand der Verhandlungen in den drei Bereichen Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistungen geschildert. Bei der Landwirtschaft seien die Verhandlungen am weitesten gediehen; hier würden von dem geplanten Abbau der Subventionen und Zölle die USA, Australien, Neuseeland, Brasilien und Argentinien am stärksten profitieren. Keine Einigkeit herrsche bisher bei den Subventionen für Baumwolle und bei der Frage, wie besonders unterentwickelte Nationen geschützt werden könnten.

Im Industriebereich wird vor allem an China appelliert, sich zu bewegen. „Als weltgrößter Exporteur und von daher unter dem Strich einer der größten Profiteure der Doha-Runde hat China hier eine besondere Verantwortung.“ Es handle sich um „den kritischen Teil“ der Doha-Runde, der den größten Anteil des Welthandels ausmache. Aus China kommen jedoch keine ermutigenden Signale. Handelsminister Chen Deming legte in Davos sogar besonderen Wert auf die Feststellung, dass sein Land – die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt – ein Entwicklungsland sei und besonders von einem solchen Abkommen profitieren müsse.

Diese Haltung greift der Bericht auf. Entwickelte Länder müssten „ein asymmetrisches Ergebnis“ hinnehmen, heißt es in der Untersuchung. „Die EU im Besonderen hat akzeptieren müssen, dass der Preis der Doha-Runde in einer vollständigen Renovierung ihres Systems von Agrarhilfen besteht, ohne Ausnahmen für entsprechende Aktionen von Entwicklungsländern.“

Merkel appellierte an die Entwicklungs- und Schwellenländer, mit einzubeziehen, wie schnell die Entwicklung bei ihnen voranschreite. Deswegen dürfe das Abkommen nicht nur den Status Quo berücksichtigen. Nach Lamys Worten verlaufen die Konfliktlinien nicht mehr zwischen armen und reichen Ländern, sondern quer durch alle Regionen und Fraktionen. Nach dem G-20-Gipfel von Seoul sei neue Dynamik in die Verhandlungen gekommen. Gleichwohl sieht Cameron bei dem Thema nach zehnjährigen Verhandlungen Apathie und Zynismus. „Die Leute denken, das hier ist der tote Papagei von Monty Python“, sagte er in Anspielung auf den Sketch, bei dem ein Tierhändler leugnet, dass der Vogel im Käfig seines Kunden tot ist.

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