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Politik: Doppelt blockiert

Für Schröder ist die Wahl auch eine Abstimmung über den Bundesrat / Koch will neue Föderalismusrunde

Berlin - Gerhard Schröder hat am Freitag keinen Zweifel gelassen: Nicht nur seine Ansicht, keine dauerhaft sichere Mehrheit im Parlament zu haben, war für den Kanzler der Anlass, über die gescheiterte Vertrauensfrage zur Auflösung des Bundestags zu kommen. Auch die Mehrheit der Union im Bundesrat nannte Schröder als Grund. Ihr wirft Rot-Grün seit langem Blockadepolitik vor – das war auch der Hauptgrund, schon vor zwei Jahren die Föderalismusreform anzugehen.

Allerdings ist eine andersfarbige Mehrheit in der Länderkammer in der Frage der Parlamentsauflösung verfassungsrechtlich irrelevant. Weder der Bundespräsident noch das Verfassungsgericht müssten darauf Rücksicht nehmen. Doch dürfte Schröders Satz in seiner Rede am Freitag nicht überhört werden: „Nur eine durch die Wählerinnen und Wähler klar und neuerlich legitimierte Regierungspolitik wird bei der Mehrheit des Bundesrats zu einem Überdenken der Haltung führen.“ Kurzum: Schröder und die SPD gedenken, die Wahl auch zu einem Plebiszit gegen den Bundesrat zu machen. Entsprechend äußerte sich dieser Tage Innenminister Otto Schily (SPD), der sich von einem Wahlsieg der SPD auch einen Durchbruch bei der Föderalismusreform verspricht – ebenfalls gegen die Länder und im Interesse des Bundes.

Wolf-Rüdiger Schenke, Rechtsprofessor in Mannheim, sieht hier eine bedenkliche Entwicklung. Er wird die angekündigte Klage des Grünen-Abgeordneten Werner Schulz gegen eine Bundestagsauflösung vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten. Würde Schröder durchkommen, sieht Schenke eine grundlegende Veränderung des Grundgesetzes in Richtung plebiszitärer Demokratie. Charakteristisch dafür sei, dass der Kanzler seine Vertrauensfrage auch mit dem Appell an das Volk gegen eine „Blockadepolitik“ des Bundesrats begründet habe.

Wie weit diese Blockade geht, ist freilich umstritten. CDU-Chefin Angela Merkel hält Schröder entgegen, der Bundesrat habe in der ablaufenden Legislaturperiode nur ein einziges Gesetz wirklich verhindert. Fast alle (der in der Tat überdurchschnittlich vielen) Vermittlungsverfahren endeten mit einem Ergebnis, das im Bundestag die Zustimmung fand. Rot-Grün rechnet dagegen etwas anders. Zum einen verweisen die Koalitionspolitiker darauf, dass viele Gesetze stark verändert und auch verschleppt worden seien. Empört rechnete Schröder zudem vor, dass die Bundesratsmehrheit nach abgeschlossenen Vermittlungsverfahren in 29 Fällen Einspruch erhoben habe, fast so häufig wie zwischen 1949 und 1994 insgesamt. Die Einsprüche wurden allerdings stets mit Kanzlermehrheit zurückgewiesen, behinderten die Koalition also nicht.

In der Union wird zudem darauf verwiesen, dass es nicht zuletzt rot-grüner Widerstand gewesen sei, der die Föderalismusreform habe scheitern lassen. Im vorigen Dezember schlug ein Kompromiss fehl, weil der Bund bei der Bildungspolitik mehr Kompetenzen an sich ziehen wollte, was alle Länder – nicht nur die schwarz regierten - ablehnten. Damit wurde die Chance vertan, die Zustimmungsrechte des Bundesrats zumindest stark einzuschränken. Und vor zwei Wochen beendete SPD-Chef Franz Müntefering den zweiten Anlauf, weil die Zeit vor der Wahl nicht mehr reiche.

Unklar ist, ob ein neuer Versuch nach der Wahl gelingt. „Mit mir schon“, sagt Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), den Rot-Grün für das Scheitern im Dezember verantwortlich machte. Ob die Reform komme, hänge aber „ganz wesentlich von Franz Müntefering ab“. Er allein habe Schuld, dass es die Reform nicht gegeben habe. Koch verweist darauf, dass zuletzt in aller Stille ein Kompromiss gelungen war: „Es hat über jeden Punkt und jeden Satz Einigkeit zwischen den Verhandlungsführern Müntefering und Edmund Stoiber gegeben.“ Koch sieht darin einen vernünftigen Kompromiss: „Ich würde nicht mehr verhandeln und die Einigung so übernehmen.“ Aber der SPD- Chef habe sich nicht mehr getraut, seiner Fraktion das Ergebnis vorzulegen, „weil er in der Bildungspolitik eine andere Position einnehmen musste als im Dezember“, sagte Koch dem Tagesspiegel.

Doch wird die Föderalismusreform kommen, wenn die Union die Wahl gewinnt und dann in beiden Kammern die Mehrheit hat? Koch hat hier keine Bedenken. Es sei für die Länder mit einer Unions-Regierung sogar einfacher, „weil im CDU-Programm kein Hegemonialanspruch des Bundes in der Bildungspolitik vorgesehen ist wie bei der SPD“. Er sei allerdings skeptisch, ob die SPD noch mitmachen will. „Ich fürchte, sie wird auch in dieser Frage so zerstritten sein, dass sie sich lieber nicht einigt.“

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