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Wichtige Informationen über die Probleme beim Euro Hawk nicht bekommen? Verteidigungsminister de Maizière 2011 vor einem Modell der Drohne. Foto: Wolfgang Rattay/Reuters

© REUTERS

Politik: „Dramatische Kostenexplosion“

Im Drohnen-Ausschuss taucht ein brisantes Papier auf. De Maizière wusste offenbar früh vom Desaster.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses „Euro Hawk“ geht es manchmal wie den „Tatort“-Kommissaren: Eigentlich kennt man den Täter schon genau, niemand zweifelt an seiner Schuld. Und doch will es nicht gelingen, ihn der Tat zweifelsfrei zu überführen.

Zwei Wochen tagt der Untersuchungsausschuss und will etwa herausfinden, wann Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) von den Problemen der unbemannten Aufklärungsdrohne erfahren hat. Hört man sich im Kreis der Ausschussmitglieder um, so ist rasch klar: Niemand kann sich vorstellen, dass der gewissenhafte Minister de Maizière erst in diesem Frühjahr vom wahren Ausmaß der Probleme des Euro Hawk erfahren haben will und das Projekt dann gestoppt hat. Der allerdings bleibt standhaft bei seiner Version, nach der ihm bis zuletzt die Probleme als lösbar beschrieben wurden.

Am Mittwoch versuchte der SPD-Abgeordnete Hans-Peter Bartels, die Version des Ministers zu erschüttern. Während der Vernehmung des Zeugen Detlef Selhausen, der im Verteidigungsministerium seit Jahren für das Projekt der Aufklärungsdrohne Euro Hawk verantwortlich war, konfrontierte Bartels den Zeugen mit einer Mail, die derselbe am 19. Januar 2012 an die Büroleiterin des Staatssekretärs von Minister Thomas de Maizière, Stéphane Beemelmans, geschickt hatte. Stichwort „Gespräch BM (Bundesminister) mit CEO Cassidian“ am selben Tag. Darin schreibt Selhausen von einer „dramatischen Kostenexplosion“, die sich abzeichne, weshalb er nach weiterer „Validierung“ die seit Jahren geplante Beschaffung der Serie Euro Hawks „nicht empfehlen“ könne.

Zu Deutsch: Selhausen informierte an jenem Tag den Staatssekretär von de Maizière darüber, dass es beim Rüstungsprojekt Euro Hawk an allen Ecken und Enden brennt, weshalb man es lieber stoppen sollte. Soll man glauben, dass der Rüstungsabteilungsleiter so etwas Dramatisches seinem Chef unter Hinweis auf ein Gespräch des Ministers schreibt, ohne davon auszugehen, dass der mit dem Minister darüber spricht?

Man darf es jedenfalls nicht ausschließen. Selhausen verlas am Mittwoch zunächst mit großer Ruhe eine Stellungnahme, die den Hergang des geplatzten Drohnen-Projektes aus seiner Sicht darstellen und die Schuld für das Scheitern niemandem persönlich zuschieben sollte. Erst, als er auf seine Mail angesprochen wurde, wurde der Beamte des Verteidigungsministeriums sichtlich nervös. Ob die wichtige Informationen über die Probleme beim Euro Hawk für den Minister gedacht gewesen seien, wollte SPD-Mann Bartels wissen und auch, ob Selhausen sie mit dem Ziel geschrieben habe, dass de Maizière darüber vor dem Gespräch mit dem Chef des Rüstungsunternehmens Cassidian informiert wird? Jeder Laie hätte das bei Lage der Dinge erwartet.

Aber Selhausen ließ seinen Minister nicht im Stich. „Das kann man dieser Mail nicht entnehmen“, antwortete er kurz und auch, dass er „nicht weiß, ob die Information den Minister erreicht hat“. Der Lüge konnte de Maizière damit zwar noch immer nicht zweifelsfrei überführt werden. Aber die Opposition hofft auf kommende Woche. Dann muss Beemelmans aussagen, bevor man den Minister selbst vernehmen wird. Und Beemelmans wird ganz gewiss gefragt werden, ob er die Mail erhalten und den Minister vom Inhalt in Kenntnis gesetzt hat.

Entlastet hat de Maizière übrigens der Bundesrechnungshof, wenn auch etwas unfreiwillig. Schon lange vor dessen Amtsantritt, sagte die Prüferin Angelika Bauch am Mittwoch, hätte das Ministerium das Milliardenprojekt neu bewerten und einen Abbruch erwägen müssen. „Man war da etwas blauäugig.“

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