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Ein Volk auf der Flucht. Nach einem Bombenangriff am Dienstag in Aleppo

© Reuters

Drei Jahre Bürgerkrieg: UN: Hunderttausende haben in Syrien ihr Leben verloren

Im syrischen Bürgerkrieg sind inzwischen Hunderttausende Menschen getötet worden oder verhungert. Kinder, Frauen und Männer seien einem „unvorstellbaren Leiden“ ausgesetzt, erklären die UN in Genf.

Der seit mehr als drei Jahren tobende Konflikt in Syrien sorgt wieder für Schreckensnachrichten: Nach Schätzungen der Vereinten Nationen haben in Syrien inzwischen „Hunderttausende ihr Leben verloren“. Lange Zeit gaben UN-Funktionäre die Zahl der Todesopfer mit „mehr als 100.000“ an. Hauptursache für das Sterben der Männer, Frauen und Kinder in dem arabischen Land laut der Syrien-Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates: Sie starben durch Gewalt, konnten nicht ausreichend medizinisch behandelt werden oder sie verhungerten.

Die Gewalt habe ein „beispielloses“ Ausmaß erreicht, die Syrer müsste „unvorstellbare Leiden“ erdulden und die Konflikt-Parteien zeigten keinen Respekt für das „menschliche Leben“. So lautet das Fazit des jüngsten Berichtes der Kommission über die Kriegsverbrechen in Syrien, der am Dienstag in Genf veröffentlicht wurde. Der Report deckt den Zeitraum von Mitte Februar bis Juni ab und stützt sich auf mehr als 3.000 Interviews mit Flüchtlingen, Überläufern und Oppositionellen.

Die Kommission unter dem Vorsitz des brasilianischen Diplomaten Paulo Sérgio Pinheiro warnt, dass ein „regionaler Konflikt“ im Nahen Osten immer näher rücke. Es bestehe die ernste Gefahr eines Überschwappens der Kämpfe von Irak nach Syrien und umgekehrt. In Syrien und im Irak kämpfen Mitglieder der radikalen Islamistenorganisation „Islamischer Staat im Irak und in Syrien“. Pinheiro attackierte die Waffenlieferungen „bestimmter Staaten“ an das Regime des Diktators Baschar al-Assad und an die Rebellen. Die Lieferanten wüssten, dass mit den Waffen Kriegsverbrechen verübt werden. Während Russland das Regime mit Rüstungsgütern beliefert, beziehen viele Rebellen ihre Waffen aus Staaten der Golfregion.

Assad-Truppen töten wahllos Zivilisten

Den Ermittlern zufolge machen die Truppen des Diktators Assad „langsame aber wichtige“ Fortschritte. Die Assad-Einheiten gingen mit äußerster Brutalität vor, etwa mit dem Abwurf der berüchtigten Fassbomben. Sie töteten wahllos Zivilisten durch den Beschuss von Schulen, Krankenhäusern und Wohnvierteln. Für viele Syrer sei die Entscheidung ob sie zum Markt oder zur Moschee gehen sollten eine Entscheidung über Leben und Tod geworden. Als Beispiel nennt die Kommission den Raketen-Angriff auf eine Schule in der Stadt Aleppo am 30. April. In der Schule wurde Kunst der Schüler über ihre Kriegserlebnisse ausgestellt. Bei der Attacke starben 36 Menschen, darunter 33 Kinder.

Kommission beschuldigt auch Rebellengruppen

Die Assad-Regierung setze auch das Aushungern von Zivilisten als Waffe ein. Nach UN-Schätzungen leben etwa 250.000 Menschen in belagerten Städten. Weiter warf die Kommission dem Assad-Regime massive Folter vor. Die Ermittler hätten „Tausende Fotos“ von toten Menschen, die mutmaßlich in Gefängnissen des Regimes ermordet wurden. Die Kommission beschuldigt auch die Rebellengruppen der schweren Verbrechen. Bewaffnete Oppositionelle hätten zivile Ziele beschossen, nähmen Geiseln und setzten Kindersoldaten ein.

Ban Ki Moon sucht neuen Sondergesandten für Syrien

Der Konflikt brach im März 2011 aus, als immer mehr Syrer gegen das Assad-Regime protestierten. Aus den Demonstrationen entwickelte sich ein unübersichtlicher Bürgerkrieg, vor dem mehr als sieben Millionen Syrer geflohen sind. Während sich das Leid der Menschen täglich steigert, liegen die internationalen Vermittlungsbemühungen in Trümmern.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon musste am Dienstag zugeben, dass er noch immer einen neuen internationalen Syrien-Sondergesandten sucht. Vor mehr als einem Monat gab Ban den Rücktritt seines gescheiterten Vermittlers Lakhdar Brahimi bekannt. Vor knapp zwei Jahren schmiss bereits Kofi Annan als internationaler Syrien-Sondergesandter hin. Auch der frühere UN- Generalsekretär Annan konnte keinen Verhandlungsprozess anstoßen.

Jan Dirk Herbermann

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