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Heikler Fall. In Bonn wurden Aufnahmen auf dem Bahnsteig gemacht, gespeichert sind die Videobilder aber nicht.

© FRANK AUGSTEIN/AP/dapd

Drei Verdächtige nach Bonner Bombenfund: Bahn und Polizei streiten sich um fehlende Videobilder

Der vereitelte Bombenanschlag in Bonn entfacht die Debatte über Videoüberwachung – wieder einmal. In Berlin kennt man das Problem.

Es ist ein trauriges Ritual: Nach Gewaltexzessen auf Bahnhöfen, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf städtischen Plätzen kehrt die Debatte über Videoüberwachung wieder. Nun streiten sich die Deutsche Bahn und die Bundespolizei nach dem versuchten Bombenanschlag am Bonner Hauptbahnhof, wer das Fehlen von Videobildern der Tat zu verantworten hat. Die Bahn hat zwar Teile des fraglichen Bahnsteigs mit Kameras beobachtet, aber keine Bilder gespeichert. Sie wirft der Bundespolizei vor, keinen Auftrag zur Aufzeichnung erteilt zu haben, wie eine Sprecherin der Bahn sagte.

„Die Bundespolizei legt allein fest, wo Videobilder aufgezeichnet werden. Das war in Bonn nicht der Fall.“ Die Bundespolizei wies die Verantwortung zurück. Sie kritisierte via „Bild am Sonntag“ fehlende „Aufzeichnungskapazitäten“ der Bahn. Die Reaktion der Bahn kam am Sonntag prompt. „Das weisen wir ausdrücklich zurück. Wir schaffen überall die nötigen Kapazitäten, wenn die Bundespolizei uns beauftragt“, sagte eine Konzernsprecherin dem Tagesspiegel.

Bundesweit gibt es 6500 Kameras, die laut Bahn an „neuralgischen Punkten“ installiert sind. 72 Stunden werden die Bilder aus Zügen gespeichert, auf den Bahnhöfen bis zu einen Monat lang. Diese Fristen seien mit den Datenschutzbehörden abgestimmt, teilte die Bahn im vergangenen Jahr mit. Den Zugriff auf die gespeicherten Bilder habe allein die Bundespolizei. In Berlin hat die Bundespolizei Zugriff auf Bilder von 550 Kameras. Überwacht werden neun größere Umsteigestationen, wo auch Fern- oder Regionalverkehr hält, nicht jedoch normale S-Bahn-Stationen.

Neben diesen 550 Kameras betreibt die S-Bahn noch ein zweites System von Kameras zur Abfertigung der Züge. Hier hat die Polizei keinen Zugriff – darüber wird  seit einigen Wochen heftig gestritten. Nach dem Angriff auf einen behinderten Fan von Hertha BSC auf dem S-Bahnhof Olympiastadion hatte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) Bahn-Chef Rüdiger Grube schriftlich zum Handeln aufgefordert. Allerdings verlangt die Bahn, dass der Senat für eine Videoüberwachung Zuschüsse zahlt, was das Land ablehnt.

Die BVG, für die der Senat zuständig ist, hat weit mehr Technik als die Bahn: genau 10 763 Kameras in Bahnhöfen und Fahrzeugen. Im Jahr 2011 war eine weitere Verschärfung der Überwachung von Bahnhöfen beschlossen worden. Die Nachrüstung von 20 Stationen soll bis Jahresende abgeschlossen sein.

Was Berlins Innensenator zu der von Bundesinnenminister Friedrich angestoßenen Debatte sagt.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) schaltete sich in die Debatte über Videoüberwachung ein und forderte im „Spiegel“ eine „effiziente Videobeobachtung und Videoaufzeichnung auf öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen“. Friedrichs Anliegen wird vom Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) unterstützt. „Ich teile grundsätzlich die Einschätzung des Bundesinnenministers“, sagte Henkel dem Tagesspiegel. „Videoüberwachung ist ein wichtiges Instrument, das vor allem bei der Aufklärung von Straftaten hilft.“ Doch trotz vieler Vorteile sei Videotechnik „kein Allheilmittel“, meinte Henkel: „Wir brauchen auch Personal, das brisante Situationen schon im Ansatz erkennt und schnell eingreifen kann. Auf öffentlichen Plätzen setzen wir auf eine verstärkte Präsenz, etwa durch die mobilen Anlaufstellen auf dem Alexanderplatz und dem Breitscheidplatz, sowie mehr Streifen.“

Deutlich weniger Rückhalt erhält Friedrich auf Bundesebene. Der „reflexhafte Ruf“ nach einer Ausweitung der Videoüberwachung bringe keine Lösung, sagte die stellvertretende FDP-Fraktionschefin und innenpolitische Sprecherin Gisela Piltz. Eine Videoüberwachung aller öffentlichen Plätze sei „völlig überzogen“ und „personell nicht leistbar“. Stattdessen sollte die Zahl der Polizisten erhöht werden. Der SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann wandte sich ebenfalls gegen die „Totalüberwachung des öffentlichen Raums auf allen Plätzen“. Alles stehe und falle mit ausreichend vorhandenen Sicherheitskräften. Nur durch deren Präsenz sei ein schnelles Eingreifen möglich. Grünen-Parteichef Cem Özdemir sprach von einem „populistischen Reflex“ von Friedrich. Eine „einfache Lösung“ wie mehr Videoüberwachung würde der Bevölkerung ein „falsches Gefühl von Sicherheit“ geben.

Im Bonner Fall gehen die Ermittler derzeit von drei Verdächtigen aus. Es soll sich um einen hellhäutigen und um einen dunkelhäutigen Mann handeln. Außerdem wird nach einem dritten Verdächtigen gesucht, von dem allerdings noch nicht viel bekannt ist. Die Bundesanwaltschaft wollte sich am Wochenende nicht zu weiteren Ermittlungen äußern. Sie verweist auf ihre Stellungnahme vom Freitag, wonach ein Anfangsverdacht besteht, dass es sich bei dem Vorfall um einen „islamistisch-terroristischen Hintergrund“ handeln könnte. Dem Vernehmen nach soll es sich um eine inländische terroristische Vereinigung handeln.

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