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So sah die FDP noch 2013 bei Dreikönig aus.

© Reuters

Dreikönigstreffen der FDP: Die Kleinmacher

Da haben sich die Liberalen eine tückische Tradition geschaffen: Vom Dreikönigstreffen der FDP soll ein Aufbruchssignal für das politische Jahr ausgehen. Eigentlich harmlos. Aber wie Westerwelle vor zwei Jahren, wird Philipp Rösler vor Augen geführt, dass es einsam um ihn wird.

Von Antje Sirleschtov

Zum Schluss steht Philipp Rösler am Rand. Als müsste es so sein und auch, als habe er sich diesen Platz ganz bewusst gesucht. Niemand hat ihn zur Seite geschoben, als das Dreikönigstreffen an diesem Sonntag beendet ist und die FDP-Führung geschlossen auf der Bühne des Staatstheaters ins Stuttgart zu einem letzten Gruppenfoto zusammentritt. Rösler, der Parteivorsitzende hatte zuvor beinahe eine Stunde lang gesprochen. Die Rede seines Lebens sollte er halten. Das hatten alle von ihm erwartet. Schließlich steht sein Job auf dem Spiel. Aber Rösler hat diese Rede nicht gehalten. Viel von Freiheit hat er gesprochen, es war viel liberale Theorie. Die Leute im Theater sahen nicht begeistert aus.

Und dann, zum Ende, sucht er für sich einen Platz an der Seite. Bei denen, die nicht mehr im Zentrum stehen. Und er spendet lächelnd jenen Applaus, um die sich an diesem Sonntag in Stuttgart plötzlich alle scharen: zwei alten Herren. Alt-FDP-Chef Hans-Dietrich Genscher und Rainer Brüderle, 67 Jahre alt und – spätestens seit diesem Tag – die Hoffnung seiner Partei.

Es ist gut ein Jahr her, da hat Philipp Rösler die Sache mit dem Bambus erzählt. Er war gerade ein paar Monate FDP-Vorsitzender und zum ersten Mal umringt von Besserwissern, die ihm mit klugen Worten mal dies und mal jenes rieten und manchen Spott mit ihm trieben. Wie er dieses Herumnörgeln an ihm, das Tuscheln hinter seinem Rücken und die kleinen giftigen Pfeile aushalte, die seine Parteifreunde Woche für Woche auf ihn abschießen würden, wurde Rösler gefragt. Und da hat er eben den Bambus erwähnt, und es klang ein bisschen wie eine Drohung an die Anderen und auch ein wenig wie Selbstsuggestion.

„Sehen Sie mich doch mal an“, sagte der aus Vietnam stammende Rösler mit verschmitztem Gesicht. Da, wo er geboren sei, da wiege sich der Bambus selbst in ganz stürmischen Zeiten hin und her. Um so einen Halm brechen zu können, sagte Rösler mit frohlockender Miene, da muss schon sehr viel passieren.

Vor diesem Sonntag in Stuttgart ist schon sehr viel passiert. Man könnte sagen, beinahe jeder, der in der FDP Rang und Namen hat, biegt und sägt seit Tagen nach Kräften an dem Bambusstamm namens Rösler. Zwei Jahre werden es im Mai, dass dieselben Leute Guido Westerwelle von der Spitze ihrer Partei verdrängt und beim Parteitag in Rostock ihn, den jungen Rösler wie einen Heilsbringer zum Nachfolger ernannt haben. Doch Rösler konnte seinen Platz da oben an der Parteispitze nicht finden, von Anfang an nicht. Er hatte keine zündenden Ideen, er machte Fehler, er konnte sich nicht durchsetzen. Das Heil blieb aus, noch mehr Wähler wandten sich von der FDP ab.

Außerparlamentarische Opposition - eine Katastrophe

Nun steht in zwei Wochen die kleine Bundestagswahl in Niedersachsen bevor, dann folgt die Bundestagswahl im Herbst. Und die Liberalen sehen in den Abgrund. Nicht unwahrscheinlich, dass sie in Hannover und dann in Berlin nicht genug Stimmen bekommen. „Außerparlamentarische Opposition“ nennt man das, was darauf unweigerlich folgt. In Niedersachsen wäre das schon schlimm. Im Bund wäre es eine Katastrophe.

Stimmen weg, Aufmerksamkeit weg, Geld weg, Mitarbeiter weg. Wer im Bundestag nicht vorkommt, der verkommt sehr schnell und wird vergessen. In Umfragen schwankt die FDP seit Monaten zwischen zwei und vier Prozent.

Jetzt ist Panik ausgebrochen. Wer ist Schuld an der Misere?

Rasch hat man sich im Kreis der Parteioberen auf den Chef geeinigt. Seither hagelt es von allen Seiten Kritik. Nicht etwa inhaltlich, nein, dafür scheint gar keine Zeit mehr zu sein. Die Granden der FDP, vom Altvorsitzenden Wolfgang Gerhardt bis zu Bundestagsvizepräsident Hermann Otto Solms, erörtern bereits öffentlich die Modalitäten der Abwahl Röslers. Soll man den ursprünglich für Mai geplanten Parteitag vorziehen oder vielleicht die gesamte Führung zusammenrufen und ihn kurzerhand per Akklamation absetzen?

Beinahe jede Variante ist bis zu diesem kleinen Parteitag durchgespielt worden. Vor allem Entwicklungsminister Dirk Niebel machte immer wieder Druck, forderte Veränderung. So wie jetzt könne es mit der FDP nicht weitergehen, bekräftigt er in Stuttgart abermals, „es zerreißt mich innerlich“.

Von Philipp Röslers Rede im Stuttgarter Staatstheater sollte also seine Zukunft abhängen. Würde es ihm gelingen, die Liberalen unten im Saal mitzureißen? Würde er beweisen können, dass er das Ruder für sich und seine FDP noch einmal herumreißen kann?

Welcher Druck auf ihm lastet, konnte man schon am Morgen sehen. Blass und fahrig wirkte er, als er in das Stuttgarter Theater kam. Auf der Bühne wird dann schnell klar, dass dieser FDP-Vorsitzende nicht aufgeben will. Noch nicht. Rösler kommt aus Niedersachsen, seine politischen Weggefährten dort machen Wahlkampf, sie stehen auf Straßen und Plätzen, „bei Wind und Wetter“, wie Rösler sagt. Er will sie jetzt nicht im Stich lassen. Die politischen Freunde „erwarten, dass wir gemeinsam für die Sache der Freiheit kämpfen“. In diesem Moment Schwäche zeigen, den Streit in der FDP-Spitze anheizen oder gar das Handtuch entnervt werfen, das will Rösler seinen Niedersachsen nicht antun. Eine Frage des „Stils“ nennt er das, „Haltung zeigen“. Für ihn liegt die Messlatte für das Verbleiben an der Spitze der Partei nicht so sehr in einer Prozentzahl, die die FDP am 20. Januar erreicht. Egal, ob es 5,1 oder sieben Prozent sein werden: Rösler will, dass es zur Regierungsbeteiligung, zu Schwarz-Gelb reicht. Aber was tut er selbst dafür?

In Stuttgart beschreibt der FDP-Vorsitzende ein Land, in dem die Freiheit bedroht ist, wo immer man hinsieht. „Bevormundung“, „Reglementierung“, Verbote überall“. Nur seine FDP, sagt Rösler, stehe gegen diesen Trend, weshalb man „gemeinsam für die Freiheit kämpfen muss“. Immer wieder malt Rösler dieses Bild und kommt doch nur zu diesem einen Schluss: „Wir stehen für die Freiheit“. Nur ganz am Rand streift er die Ergebnisse liberaler Regierungsbeteiligung in den letzten drei Jahren, kein Wort sagt er darüber, wie er sich den Freiheitskampf seiner Partei in Zukunft vorstellt, wohin er diese FDP führen will. Seine Argumente klingen schwach, seine Scherze kommen nicht an: Je länger er spricht, umso öfter sieht man im Saal in gähnende Gesichter. Nur mechanisch und abwesend spendet ihm auch die FDP-Führung auf der Bühne noch Applaus.

Brüderle schafft, was dem Vorsitzenden versagt bleibt

Was für ein Gegensatz zu den 20 Minuten, die das FDP-Völkchen zuvor erlebt hat und in denen Rainer Brüderle, der Fraktionsvorsitzende, das tat, was man hier vom Auftakt dieses wichtigen politischen Jahres eigentlich von Rösler erwartet hat. Laut und mitreißend beschrieb Brüderle, warum man die „Sozialisten in allen anderen Parteien“ bekämpfen müsse und was die FDP in Regierungsverantwortung alles schon erreicht habe. „Wir haben die Union besser gemacht“, rief er dem Publikum zu und lobte – wie es eigentlich die Aufgabe des Parteivorsitzenden gewesen wäre – jeden einzelnen Bundesminister für seine Arbeit. Niemand wurde vergessen, nicht Guido Westerwelle und auch nicht Dirk Niebel. „Wer sich klein macht, der wird klein gemacht“, forderte Brüderle die Anhänger auf, sich nicht unterkriegen zu lassen. Sätze, die Optimismus verbreiten und Mut auf die anstehenden Wahlkämpfe machen sollten. „40 Jahre bin ich nun bald in der FDP“, schloss Brüderle seine Rede emotional, und er wolle „keinen Tag missen“. Begeistert flogen die Hände nach oben, als Brüderle wieder zurück zu seinem Platz ging.

Vielleicht muss man die Zeit an dieser Stelle – nur für einen Augenblick – noch einmal zurückdrehen, an den Jahresanfang 2011. Um daran zu erinnern, wie Philipp Rösler in das höchste Amt, das die FDP zu vergeben hat, gekommen ist und welche Rolle all jene schon damals gespielt haben, die jetzt so einhellig der Meinung sind, der Vorsitzende müsse aus dem Blickfeld der Wähler geräumt werden, besser früher als später.

Auch damals wurde beim Dreikönigstreffen in Stuttgart halblaut über die notwendige Ablösung des Vorsitzenden Guido Westerwelle gesprochen. Die FDP war im ersten Jahr ihrer Regierungsbeteiligung im Ansehen der Bevölkerung bis nahe an den Tiefpunkt gerutscht. Erst der Streit mit der Union um milliardenschwere Steuersenkungen, von denen jeder wusste, dass sie sich niemand leisten kann. Dann die Senkung der Steuer auf Hotelübernachtungen, die als Mövenpicksteuer in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Und schließlich auch noch die gefühlte Verunglimpfung von Hartz-IV- Empfängern durch Westerwelle selbst. Man kann sich nicht an wegweisende Initiativen oder Pläne anderer Spitzenliberaler erinnern, die das Image der FDP hätten in dieser Zeit aufpäppeln können. Aber einig waren sich schon damals alle: Die FDP kann nur aus dem Umfragetief herauskommen, wenn das Gesicht an der Spitze ausgetauscht wird. Westerwelle musste weg, wenige Wochen später gab er auf.

An diesem Sonntag sitzt der Außenminister Westerwelle neben Genscher auf dem Podium in Stuttgart und betrachtet mit versteinerter Miene, wie es seinem Nachfolger ergeht.

Philipp Rösler war vor zwei Jahren ein unverbrauchter junger Mann aus Niedersachsen, den man kurz zuvor zum Bundesgesundheitsminister gemacht hatte, obwohl er gerade Vater von Zwillingen geworden war und mit der Familie eigentlich in sein neu gebautes Haus in Hannover statt nach Berlin ziehen wollte. Er hatte mal ein Buch geschrieben und darin ein bisschen Front gegen Westerwelles neoliberale Steuersenkungspolitik gemacht. Das und sein menschliches Auftreten ließen ihn bereits als Gegenmodell zu Westerwelle erscheinen.

Als Rösler im Frühjahr 2011 einwilligte, sich zum Parteichef wählen zu lassen, konnte man ihm die Unsicherheit ansehen. Vielleicht hat er damals schon geahnt, dass er womöglich nicht der Richtige ist, um eine Partei neu zu ordnen und inhaltlich neu auszurichten. Er hat sich trotzdem in die Pflicht nehmen lassen, als er gebraucht wurde. Und er sagt heute ein wenig resignierend: „Es ist nicht einfach, ein Liberaler zu sein“. Noch zwei Wochen, dann wird die kurze Ära Rösler womöglich beendet sein.

Kommt es so, ist rasch vorhergesagt, wie es mit der FDP weitergeht. So wenige Monate vor der Bundestagswahl wird die Partei auf ein Team aus Kontinuität und Erneuerung setzen. Zunächst muss die Mannschaft beisammen gehalten werden, um zur Bundestagswahl ein achtbares Ergebnis zu erzielen. Wer könnte das besser als Rainer Brüderle. Und der junge Christian Lindner, Landeschef in Nordrhein-Westfalen, könnte im Bundestagswahlkampf sein rhetorisches Talent zeigen und zu einem späteren Zeitpunkt die Parteiführung von Brüderle übernehmen.

Laut ausgesprochen hat das in Stuttgart natürlich niemand.

Aber gedacht haben sie es. Und aus Gedanken werden oft zuerst unterlassene Taten. Beim Abschiedsfoto hat keiner aus der FDP Philipp Rösler ins Zentrum hinein geholt. Auch Altvater Genscher zog seinen gelben Pullunder straff und stellte sich neben Rainer Brüderle auf. Falls Röslers Hoffnung aufgeht und die FDP in Niedersachsen wirklich in den Landtag einzieht, würde das an diesem Dreikönigstreffen und dem Bild, das ihr wichtigster Mann darin abgibt, wenig ändern. Philipp Rösler steht allein.

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