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© ddp

Dresden: 16 Stiche in drei Minuten

Prozess wegen Ermordung einer Ägypterin im Gerichtssaal beginnt in Dresden. Der Mann, der die ägyptische Apothekerin Marwa el-Sherbini im Juli in einem Dresdner Gerichtssaal erstach, ist offenbar schon früher gewalttätig geworden.

Demnach hatte Alex W. während eines Lehrgangs in Dresden, wo er zum Gabelstaplerfahrer ausgebildet werden sollte, zwei Mitschüler mit einem Messer bedroht. Dies geht aus der Anklageschrift gegen den 28-jährigen hervor. Der Prozess beginnt am kommenden Montag vor dem Dresdner Landgericht. Die Anklage wirft ihm Mord an Marwa el-Sherbini und versuchten Mord an ihrem Ehemann Elwy Okaz vor. Der Angriff auf die beiden Mitschüler vor zwei Jahren wurde erst im Laufe der Ermittlungen bekannt. Auch zwei Mithäftlingen hat er im Juli, knapp drei Wochen nach der Tat im Dresdner Landgericht, angeblich gedroht, er werde sie „zusammenschlagen“.

Nach Informationen des Tagesspiegels geht der Gutachter, den das Gericht herangezogen hat, nicht davon aus, dass Alex W. vermindert schuldfähig ist. Alex W., der im russischen Perm geboren und aufgewachsen ist, hatte am 1. Juli während eines Beleidigungsprozesses ein 18 Zentimeter langes Küchenmesser gezogen und auf die im dritten Monat schwangere Marwa el-Sherbini eingestochen, so dass sie noch am Tatort starb. Ihr dreijähriger Sohn wurde Zeuge der Tat, ihr Ehemann wurde lebensgefährlich verletzt. Laut Anklage hat der Täter „innerhalb von höchstens drei Minuten“ mindestens 16 Mal auf el-Sherbini und ebenso oft auf ihren Mann eingestochen.

El-Sherbini hatte Alex W. angezeigt, nachdem er sie auf einen Spielplatz als „Islamistin“ und „Terroristin“ beschimpft hatte, weil sie ihn bat, eine der beiden Schaukeln für ihren Sohn freizugeben. Zudem forderte er sie auf, vom Spielplatz zu verschwinden, sie habe dort nichts zu suchen, er wolle nicht, das die Kinder seiner Schwester Leute wie sie sähen. Wie aus der Rekonstruktion der Ereignisse durch die Staatsanwaltschaft hervorgeht, hatte nicht el-Sherbini selbst, sondern Zeugen des Vorfalls die Polizei geholt.

Unklar bleibt in der Rekonstruktion des Tathergangs weiterhin die Rolle der anderen Anwesenden im Gerichtssaal. Alex W.s Pflichtverteidiger ging mit Stühlen und einem Tisch auf seinen Mandanten vor, derweil ging Elwy Okaz von den Stichen des Täters getroffen, zweimal zu Boden, erhob sich jedoch wieder, um ihn abzuwehren. Dann versuchte er sich aus dem Saal zu schleppen, um Hilfe zu holen. Dennoch war der Vorsitzende Richter laut Anklageschrift lange der Meinung, Alex W. prügle lediglich auf Marwa el-Sherbini ein, und schrie ihn an, von ihr abzulassen. Erst danach holte er über den Alarmknopf Hilfe. Außer ihm waren auch die Staatsanwältin, eine Urkundsbeamtin und zwei Schöffen im Saal, die ebenfalls nicht eingriffen. Die Familie von Marwa el-Sherbini hat den Richter wegen fahrlässiger Tötung angezeigt. Ein Bundespolizist, der später eintraf, schoss zunächst auf den Ehemann Elwy Okaz, den er für den Täter hielt. Auch gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Anklageschrift erklärt den Irrtum damit, es sei „nicht auszuschließen, dass Elwy Okaz zeitweise das Messer am Griff oder zumindest an der Klinge festhielt“.

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