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Drohende Herabstufung: Europa empört über Ratingagentur

Die drohende Herabstufung der Kreditwürdigkeit Deutschlands und anderer Euro-Länder ist in Europa auf Unverständnis und Kritik gestoßen. Euro-Gruppen-Chef Juncker nennt sie "maßlos überzogen und auch ungerecht".

Von
  • Robert Birnbaum
  • Michael Schmidt

Berlin - Die drohende Herabstufung der Kreditwürdigkeit Deutschlands und anderer Euro-Länder ist in Europa auf Unverständnis und Kritik gestoßen. Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker kritisierte die Warnung der US-Ratingagentur Standard & Poor’s am Dienstag als „maßlos überzogen und auch ungerecht“. Scharfe Kritik kam auch von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler. „Wir halten nichts von solchen Drohungen“, sagte der FDP-Chef in München.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab sich dagegen gelassen und verwies auf anstehende Entscheidungen beim EU-Gipfel Ende der Woche. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, die Drohung von S&P müsse als Ansporn verstanden werden, das Vertrauen der Finanzmärkte in die Euro-Zone zurückzugewinnen. Die Ankündigung sei „eine zusätzliche Bestätigung, dass wir alles daran setzen müssen, zu einem guten Ergebnis zu kommen“. Der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke warnte davor, die Entscheidung von S&P überzubewerten. Allerdings müsse der Gipfel jetzt mehr denn je eine „nachvollziehbare Lösung“ für die Probleme des Euro-Raums finden. „Es nützt nichts, wenn die Anleger hinterher sagen: Ich würde euch ja gerne glauben, aber das ist alles viel zu kompliziert“, sagte Fricke dem Tagesspiegel.

Drei Tage vor dem EU-Gipfel hatte S&P am Montagabend angekündigt, die Kreditwürdigkeit von 15 der 17 Euro-Länder zu überprüfen. Zur Begründung verwies die Agentur unter anderem auf das ihrer Ansicht nach unkoordinierte und unentschlossene Handeln der Politiker und schlechte Konjunkturaussichten. Ein gutes Rating ist Voraussetzung für Staaten und Unternehmen, um sich an den Kapitalmärkten zu günstigen Konditionen frisches Geld zu besorgen. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok nannte die Ankündigung „völlig unverständlich“. Deutschland sei stärker aus der Krise herausgekommen als es hineingegangen sei, er sehe daher „keine Anzeichen von Schwäche“, sagte Brok dem Tagesspiegel. Brok kritisierte, so wie die Ratingagenturen agierten, seien sie „keine Frühwarner, sondern Krisenverstärker“.

Am Dienstag legte Standard & Poor’s nach und drohte auch dem Euro-Rettungsfonds EFSF mit dem Entzug seiner Topnote für die Kreditwürdigkeit.

Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft, sagte, in der Tat könne Deutschland beim Schuldenabbau mehr tun. Die Art und Weise der Warnung aber finde er „unangemessen“, ihre Begründung „fragwürdig“: „Der Hinweis auf eine rezessive konjunkturelle Entwicklung 2012 überzeugt mich nicht“, sagte Hüther, der Agentur müsse es vielmehr um „langfristige strukturelle Aussagen“ gehen. Hüther plädierte für mehr Wettbewerb: „Drei anerkannte Ratingagenturen weltweit sind zu wenig“, sagte er dem Tagesspiegel. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sprach sich dafür aus, bei der Bundesbank eine staatliche Ratingagentur anzusiedeln.

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