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Politik: Drohgebärden am Bosporus

Von Thomas Seibert, Istanbul Ein Vierteljahr vor den vorgezogenen Neuwahlen im November kämpft in der türkischen Politik Alt gegen Neu. Der 77-jährige Ministerpräsident Bülent Ecevit hat sich angesichts der schlechten Umfragewerte für seine zerbröckelnde Partei DSP dafür entschieden, mit Hilfe von Panikmache eine Verschiebung der Wahlen zu erreichen.

Von Thomas Seibert, Istanbul

Ein Vierteljahr vor den vorgezogenen Neuwahlen im November kämpft in der türkischen Politik Alt gegen Neu. Der 77-jährige Ministerpräsident Bülent Ecevit hat sich angesichts der schlechten Umfragewerte für seine zerbröckelnde Partei DSP dafür entschieden, mit Hilfe von Panikmache eine Verschiebung der Wahlen zu erreichen. Sollten die Islamisten und die Kurdenpartei Hadep bei dem Urnengang erfolgreich sein, steige die Gefahr eines neuen Militärputsches, warnte er. Während Ecevit mit der Armee drohte, leitete Ex-Außenminister Ismail Cem mit der Gründung seiner „Partei für eine Neue Türkei“ (YTP) eine neue Phase ein: Die YTP ist die erste Partei in der Türkei, die mit dem ausdrücklichen Ziel aus der Taufe gehoben wurde, die für die EU-Mitgliedschaft notwendigen Reformen durchzusetzen.

Ecevit brandmarkte die gemäßigt-islamistische AK-Partei und die Hadep als Gefahr für die Demokratie. Die AK-Partei des früheren Istanbuler Bürgermeisters Recep Tayyip Erdogan liegt in Meinungsumfragen an der Spitze; Cems neue Partei konnte noch nicht von den Umfragen berücksichtigt werden. Die Hadep hat wegen ihrer großen Anhängerschaft unter den rund zwölf Millionen Kurden in der Türkei gute Chancen, bei der nächsten Wahl die Zehn-Prozent-Hürde zu überspringen und ins Parlament von Ankara einzuziehen.

Mit Blick auf diese Lage sagte Ecevit, Wahlerfolge dieser beiden Parteien könnten Probleme für die „staatliche Ordnung“ der Türkei zur Folge haben. Eine Situation wie 1997, als die Generäle den damaligen islamistischen Regierungschef Necmettin Erbakan aus dem Amt drängten, müsse verhindert werden.

Ecevit, dessen Partei der Demokratischen Linken (DSP) derzeit weit unterhalb der Zehn-Prozent-Hürde dümpelt, forderte, auf die vorgezogenen Neuwahlen zu verzichten; dabei hatte er erst wenige Tage vorher zusammen mit seinen Koalitionspartnern die November-Wahl beschlossen. Ecevits Koalitionspartner, die rechtsnationalistische MHP, drohte als Reaktion auf Ecevits jüngsten Vorstoß am Montag mit dem Ausstieg aus der Regierung. Das Parlament dürfte deshalb bei einer Sondersitzung kommende Woche den 3. November als Wahltermin endgültig beschließen.

Während sich Ecevit gegen die anstehenden Wahlen stemmte, schuf sich sein ehemaliger Ziehson Ismail Cem mit der Gründung der YTP eine organisatorische Basis für die angestrebte Ablösung des Ministerpräsidenten. Die Parteigründung sei der Beginn eines „langen Marsches“, sagte Cem. Der Ex-Minister bekannte sich zu der Notwendigkeit der EU-Reformen, sagte der hohen Arbeitslosigkeit den Kampf an und betonte die Bedeutung der Familie.

Die YTP will im Wahlkampf das Thema der „Erneuerung“ besetzen, was auch im Logo der Partei deutlich wird: Es zeigt einen Vater, der seinem Kind mit ausgestreckter Hand die Zukunft zeigt. Damit entwirft die YTP – bewusst oder unbewusst – ein Gegenbild zum alten und kranken Ecevit. Doch der Ministerpräsident hat noch nicht aufgegeben. Der 77-Jährige kündigte an, dass er trotz Stützkorsett, Kortisonbehandlung und Geh-Beschwerden seinen Rivalen im Wahlkampf Paroli bieten will.

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