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Politik: Duma will Vertrag über Begrenzung strategischer atomarer Offensivwaffen noch im April ratifizieren

Die russische Reaktion auf die Ausschluss-Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates trägt gemäßigte ZügeElke Windisch Hart in der Form, verbindlich in der Sache. Auf diese Formel einigten sich gestern die Chefs der Fraktionen im russischen Parlament nach einer Anhörung der Delegation, die am Donnerstagabend die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg unter Protest verlassen hatte.

Die russische Reaktion auf die Ausschluss-Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates trägt gemäßigte ZügeElke Windisch

Hart in der Form, verbindlich in der Sache. Auf diese Formel einigten sich gestern die Chefs der Fraktionen im russischen Parlament nach einer Anhörung der Delegation, die am Donnerstagabend die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg unter Protest verlassen hatte.

Abgeordnete aus 40 Staaten Europas hatten dort ihren Regierungen empfohlen, die Mitgliedschaft Russlands in der Organisation wegen schwerer Verletzung von Menschenrechten in Tschetschenien auszusetzen. Russische Medien hatten mit Spannung einen "Gegenschlag" erwartet. Doch die Duma-Resolution, über die am Mittwoch im Plenum abgestimmt werden soll, trägt weniger den beleidigten Scharfmachern in den eigenen Reihen Rechnung, denn der eher gemäßigten Position von Kreml und Außenamt. Sowohl Präsident Wladimir Putin als auch Außenminister Igor Iwanow hatten Ende letzter Woche durchblicken lassen, dass sie die Brücken zu Europa nicht abbrechen wollen. Nicht zuletzt, um die Kooperation mit den internationalen Finanzorganisationen nicht zu gefährden, mit denen Moskau über neue Kredite und die Stundung alter Verbindlichkeiten verhandelt.

Daher ist es kein Zufall, dass gestern der russische Sicherheitsrat zusammen mit den Spitzenpolitikern beider Kammern des Parlaments Möglichkeiten zur Ratifizierung des Vertrages über die Begrenzung strategischer atomarer Offensivwaffen (Start-II-Vertrag) erörterte. Mit dem im Januar 1993 von den damaligen Staatschefs Russlands und der USA, Boris Jelzin und George Bush, unterzeichneten Abkommen vereinbarten beide Staaten, ihre Kernwaffenarsenale bis zum Jahre 2003 auf jeweils etwa 3500 Sprengköpfe und damit auf ein Drittel des ursprünglichen Bestandes zu reduzieren. Interkontinentalraketen mit mobilen Sprengköpfen sollen sogar ganz liquidiert werden. Die Ratifizierung von Start-II ist Voraussetzung für die Fortführung der 1997 begonnenen Verhandlungen zum Start-III-Abkommen. Mit ihm soll die in den beiden Vorgängerverträgen vorgesehene Reduzierung des strategischen Nuklearwaffenarsenals bis 31. Dezember 2007 auf jeweils 2000 bis 2500 Atomwaffenträger vorangetrieben werden.

Das Abkommen ist aus wirtschaftlichen Gründen vor allem für Russland vorteilhaft. Dennoch wurde es bislang nur von den USA ratifiziert. Im russischen Parlament scheiterte das Vorhaben mehrfach. Als offizielle Begründung mussten vor allem die Bombenangriffe der USA auf Irak und Jugoslawien herhalten. Der eigentliche Grund für den Widerstand der Duma waren jedoch Bestrebungen der Abgeordneten - allen voran die Kommunisten - sich gegenüber Jelzin für diverse Demütigungen zu rächen.

Nach den Parlamentsneuwahlen im Dezember hat sich das Kräfteverhältnis in der Duma jedoch erheblich zu Gunsten des Kremls verändert. Daher gilt als wahrscheinlich, dass Außenminister Iwanow, der am 26. April in Washington zu Abrüstungsverhandlungen erwartet wird, in Sachen Start-II Vollzug melden kann. Immerhin hat der außenpolitische Ausschuss gestern dem Plenum die Ratifizierung des Abkommens mit elf gegen sieben Stimmen bereits empfohlen, obwohl dem Gremium ausgerechnet der Hardliner Rogosin vorsaß, der die russische Delegation in Straßburg leitete und deren Abmarsch in der vorigen Woche befahl. Die Duma-Entscheidung soll nun am Freitag fallen.

Allerdings dürfte Moskau die Erfüllung des Abkommens noch vom Festhalten der USA an dem im Jahre 1972 geschlossenen ABM-Vertrag zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen abhängig machen. Anderenfalls, so sagte gestern Iwanow, sei "eine neue Runde der Konfrontation unvermeidlich."

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