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Politik: Durchbruch für Wertheim-Erben

Das Berliner Verwaltungsgericht hat im Streit zwischen Karstadt-Quelle und der jüdischen Familie Wertheim eine Klage der Karstadt-Quelle AG zurückgewiesen. Die Wertheim-Erben haben Anspruch auf Entschädigung für in der Nazizeit enteignete Grundstücke an der Leipziger Straße in Berlin-Mitte.

Berlin (04.03.2005, 14:29 Uhr) - 60 Jahre nach Kriegsende haben die Erben der Kaufhaus-Dynastie Wertheim im Rechtsstreit um von den Nazis enteignete Besitztümer einen entscheidenden Durchbruch erzielt. Das Berliner Verwaltungsgericht hat am Freitag eine Klage der KarstadtQuelle AG abgewiesen und damit Ansprüche auf Entschädigung für die Wertheim-Familie anerkannt. In der Konsequenz geht es um sieben Filetgrundstücke im Herzen Berlins im Wert von bis zu 500 Millionen Euro. Die Revision beim Bundesverwaltungsgericht ist nicht zugelassen worden. Die Konzern- Anwälte kündigten Beschwerde dagegen an. Sie bezeichneten das Urteil als «nicht nachvollziehbar».

Der KarstadtQuelle-Konzern scheiterte mit seinem Versuch, einen Rückübertragungsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vor Gericht zu kassieren. Diese Behörde hatte die Ansprüche der von der Jewish Claims Conference (JCC) vertretenen jüdischen Kaufmannsfamilie anerkannt. Das Verwaltungsgericht erkannte dementsprechend die KarstadtQuelle AG nicht als berechtigter Rechtsnachfolger von Hertie und Wertheim an.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts betraf zwar einen Einzelfall. Es ging um Flächen in der Leipziger Straße in Berlin-Mitte, wo sich in den 30er Jahren der Wertheim-Stammsitz mit dem größten Kaufhaus Europas befand. Doch die Anwälte der Wertheim-Familie, Gary M. Osen aus den USA und Matthias Druba aus Berlin, kündigten unmittelbar nach dem Urteil an, dass die grundlegende Entscheidung auf weitere Streitfälle ausgedehnt wird. Im Zentrum stehen dann das so genannte Lenné-Dreieck, auf dem sich das Beisheim-Center mit den Luxushotels Ritz-Carlton und Marriotts befindet, und das Marie-Elisabeth-Lüders- Haus des Deutschen Bundestages. Alle diese Gebäude sind auf früheren Wertheim-Grundstücken errichtet.

Die Sprecherin der bis zu 50 überlebenden Wertheim-Erben, Barbara Principe, reagierte erleichtert. «Das ist ein großer Tag für unsere Familie. Es sind die Opfer, und es ist nicht das große Handelsunternehmen, die beraubt worden sind», sagte die Tochter von Günther Wertheim. Sie habe der Gerechtigkeit deutscher Gerichte stets vertraut, sagte die 72-Jährige.

Karstadt-Anwalt Thomas Schmidt-Kötters hatte in der Verhandlung mehrfach deutlich gemacht, dass die KarstadtQuelle AG die Grundstücke «ordnungsgemäß erworben» habe und deshalb unstrittig Rechtsnachfolger geworden sei. Er führte an, dass zahlreiche Wertheim-Erben auch nach dem Krieg durchaus noch Mitgesellschafter bei Hertie gewesen seien und ihre Anteile «zu guten Preisen» und korrekt weiterverkauft hätten.

Die Anwälte der Gegenseite kritisierten die KarstadtQuelle- Position dagegen als «politisch und historisch seltsam und völlig unerheblich», wie Anwalt Stefan Minden sagte. Hier solle «die Wiedergutmachung für NS-Verbrechen im Sinne des Ariseurs betrieben werden», hielt er Schmidt-Kötters vor. Der Vorsitzende Richter seinerseits hatte sehr früh im Prozess in Aussicht gestellt, dass die Klage abgewiesen werde. Entscheidend sei nicht, wer heute über die Geschäftsanteile verfüge, sondern entscheidend sei, «wer der früher Geschädigte war und ist». Dieser habe vorrangig Anspruch auf Rückübertragung oder Entschädigung.

Die Jewish Claims Conference (JCC), welche als so genannte Beigeladene die Wertheim-Erben vor Gericht vertritt, forderte in einer ersten Reaktion die KarstadtQuelle AG zum Einlenken auf. Die Klage-Rücknahme würde «den Weg freimachen, dass die der Familie Wertheim gestohlenen Vermögenswerte schneller zurückgegeben werden und endlich Gerechtigkeit geschaffen wird». (tso)

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