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Politik: Ecuador fordert Geld, wenn es nicht nach Öl bohrt

Mit einem ungewöhnlichen Vorschlag will Ecuador die Aufmerksamkeit der Industrieländer beim G-8-Gipfel in Heiligendamm auf sich ziehen: Die Regierung schlägt vor, ein Erdölfeld inmitten des Amazonas nicht zu erschließen. Erdöl ist der wichtigste Devisenbringer des südamerikanischen Landes.

Mit einem ungewöhnlichen Vorschlag will Ecuador die Aufmerksamkeit der Industrieländer beim G-8-Gipfel in Heiligendamm auf sich ziehen: Die Regierung schlägt vor, ein Erdölfeld inmitten des Amazonas nicht zu erschließen. Erdöl ist der wichtigste Devisenbringer des südamerikanischen Landes. Die Hälfte der dadurch entstehenden Gewinneinbußen soll die internationale Gemeinschaft übernehmen, etwa 350 Millionen Dollar pro Jahr. Das Geld soll in Sozialprojekte fließen. So stellt sich das die Regierung vor.

Verrückt? „Ja, auf den ersten Blick“, gibt Energieminister Alberto Acosta im Gespräch mit dem Tagesspiegel zu. Nicht weniger als einen Paradigmenwechsel der internationalen Energiematrix hat sich Ecuador damit vorgenommen. Die Reaktion auf den Vorschlag werde zeigen, wie ernst es den Industrieländern mit dem Klima- und Artenschutz wirklich ist. Ecuadors Vorschlag geht über alles hinaus, was bisher in die Debatte geworfen wurde. Bisher haben sich die Tropenländer vor allem dafür engagiert, dass der Erhalt der Regenwälder unter dem Kyoto-Protokoll kompensationsfähig wird. Bisher ist das nicht der Fall. Beim Klimagipfel auf Bali im Dezember sollen entsprechende Vorschläge beraten werden. Acosta zufolge soll der Vorschlag seines Landes ein Modell werden für den internationalen Ressourcenschutz und die bevorstehenden Klimaverhandlungen. Profitieren würden Entwicklungsländer, die sich ernsthaft um Naturschutz bemühen. Finanziert werden soll der Fonds aus dem Tausch oder der Annullierung von Auslandsschulden, privaten und öffentlichen Schenkungen und aus dem Handel mit Nicht-Förder-Zertifikaten. Das betroffene Erdölfeld beherbergt knapp eine Milliarde Barrel Rohöl und befindet sich inmitten des Yasuni-Nationalparks, einem Biosphärenreservat der Unesco und einem Rückzugsgebiet für Indianerstämme und bedrohte Tiere wie den rosa Flussdelfin.

Der Vorschlag, der gemeinsam mit Umweltschützern und Indigena-Organisationen ausgearbeitet wurde, habe nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch Sinn, beteuert Acosta, der auf erneuerbare Energien setzt. Der Park beherberge mehrere tausend Jahre alte Tier- und Pflanzenarten, die in der Zukunft für die Bewältigung neuer Herausforderungen wichtig werden könnten. „Wer weiß, ob Sauerstoff und Wasser nicht einmal viel wertvoller sein werden als Öl heute.“ Eine Wirtschaft, die auf Erdöl basiere, sei außerdem eine Entwicklungsfalle, argumentiert der Ökonom. Ölreichtum führe in Entwicklungsländern fast immer zu weniger Demokratie, zu mehr Korruption, zu mehr Ungleichheit, zu Umweltzerstörung und eben nicht zu einer autonomen, stabilen ökonomischen Entwicklung. Nach 40 Jahren Erdölausbeutung seien die Ecuadorianer weiterhin arm – und zusätzlich vergiftet durch die Abfallprodukte der Ölförderung.

Norwegen, die spanische Entwicklungshilfe, einige US-Universitäten, Nicht-Regierungs-Organisationen und Persönlichkeiten wie Harrison Ford haben Interesse an der Idee bekundet. Doch die Widerstände sind groß, nicht nur bei den staatlichen Ölmultis aus China, Brasilien und Venezuela, die sich Hoffnungen auf eine Konzession im Yasuni-Nationalpark machen, sondern auch innerhalb der Regierung. So hält der Chef des staatlichen, ecuadorianischen Erdölkonzerns Petroecuador, Carlos Parejas, die Idee für eine „romantische Träumerei“. Es sei unverantwortlich, das Öl im Boden liegen zu lassen, wo das Geld doch dringend für die Sozialpolitik gebraucht werde – zumal sich der linksnationalistische Präsident mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank überworfen habe und daher kaum Frischkapital von außen zu erwarten sei. Noch unterstützt der linke Staatschef Rafael Correa aber seinen Energieminister.

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