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Fernsehstunde mit Whistleblower: Edward Snowden, der den NSA-Skandal mit seinen Enthüllungen öffentlich machte, bei seiner Befragung von Russlands Präsident Wladimir Putin.

© dpa

Edward Snowden bei Putin: Als der Whistleblower besser geschwiegen hätte

Edward Snowden schreibt im "Guardian", er wollte Wladimir Putin zu einer Stellungnahme zu russischer Überwachung herausfordern. Das klingt schlüssig, macht den Auftritt in Moskau aber nicht besser.

Von Markus Hesselmann

Es klingt fast schon rührend, wie Edward Snowden sich zu seinem Auftritt in Moskau erklärt: Mit seiner Frage an Wladimir Putin habe er doch bewusst die "inzwischen berüchtigte Auseinandersetzung" im Geheimdienste-Ausschuss des US-Senats zwischen Senator Ron Wyden und Geheimdienste-Direktor James Clapper spiegeln wollen, schreibt Snowden in einem Beitrag für den britischen "Guardian". Der amerikanische Patriot, der sein Land auch dann noch für allein maßgeblich hält, nachdem er von dort verstoßen wurde, kommt hier wieder durch. Dass weltweit nicht das gesamte Publikum schlagartig diesen Zusammenhang sehen und sein Auftritt stattdessen als Propagandaschau für Russlands autokratischen Präsidenten verstanden werden könnte, war ihm entweder nicht klar oder egal oder im schlimmsten Fall sogar recht, was nach der wortreich nachgeschobenen Erklärung allerdings ziemlich zynisch wäre.

Edward Snowdens genaue Motive kennen wir nicht, weder für sein Whistleblowing im NSA-Skandal, noch für seinen Video-Auftritt jetzt bei der Fernseh-Talkshow von Waldimir Putin am gestrigen Donnerstag. Jedenfalls hat Snowden seinen Kritikern, die sein Tun schon immer als Landesverrat und Gefährdung der öffentlichen Ordnung sehen, nun Argumente geliefert. Seine Anhänger hat er verunsichert, sofern sie nicht zur Schnittmenge derer gehören, die sowohl ihn als auch Putin für ganz großartig halten, weil beide dem teuflischen Westen die Stirn bieten. Doch auch diese Gefolgschaft steht ja nicht mehr wie eine Eins. Sie wurde bereits durch die Aufdeckung konservativ-libertärer Tendenzen ihres Helden verunsichert.

Edward Snowden, der amerikanische Patriot

Es ist wichtig, diese Zusammenhänge noch einmal darzulegen, damit eines ganz klar wird: Mit Schwarz-Weiß-Denken ist einem der politischen Protagonisten unserer Tage nicht beizukommen. Auch Whistleblower sind nur Menschen, mit Widersprüchen und falschen Entscheidungen oder auch mal Entscheidungen, die sie unter Druck fällen. Ohnehin sind Heiligsprechungen in den allermeisten Fällen genauso falsch wie Verteufelungen. In politischen Zusammenhängen sollten wir Worte und Taten beurteilen, nicht so sehr Menschen.

Halten wir uns also an das, was derzeit vorliegt: Die Erklärung, er habe Putin zu einer Aussage bewegen wollen, von der Russlands Präsident nicht mehr herunterkommt und mit der er bei entsprechenden gegenteiligen Enthüllungen konfrontiert werden könne, klingt ja für sich genommen erst einmal schlüssig. Der amerikanische Patriot überträgt damit allerdings kurzerhand den hohen Einfluss, den Öffentlichkeit in gewachsenen Demokratien hat, auf ein autokratisch geführtes Land mit eingeschüchterten Medien.

Wohl eher ein Propaganda-Erfolg für Wladimir Putin

Ob das jetzt naiv oder zynisch war, das können wir derzeit noch nicht wissen. Gut war es jedenfalls nicht. Der Propagandaerfolg für Putin dürfte am Ende die Chance überwiegen, dass irgendwann nach entsprechenden Enthüllungen jemand auf Putins Antwort, in Russland gebe es keine Analyse oder Speicherung der Kommunikation von Millionen von Bürgern, zurückkommt.

Vielleicht hätte Snowden seine Herausforderung an Putin glaubwürdiger und wirksamer in einem Gastbeitrag für den weltweit als Leitmedium wahrgenommenen "Guardian" formuliert. Aber wer von uns, die wir hier einigermaßen gemütlich im weitgehend freien, weitgehend sicheren Westen leben, mag jetzt das von einem Menschen verlangen, der zurzeit nun einmal in Russland mehr oder weniger festsitzt? An diesem Gründonnerstag jedenfalls hätte der Whistleblower besser geschwiegen.

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