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Sie konnte die Kanzlermehrheit hinter sich vereinen: 315 Abgeordnete von CDU/CSU und FDP stimmten für den Euro-Rettungsschirm.

© dapd

Update

EFSF-Abstimmung: Schwarz-Gelb: Vier gewinnt

Angela Merkel hat die Kanzlermehrheit erreicht. Der Abstimmung voraus ging eine hitzige Debatte im Bundestag. Wirkliche und möglicherweise nachhaltige Aufregung hat aber vor allem Bundestagspräsident Norbert Lammert verursacht.

Angela Merkel war sich früh sicher. Als sie das Ergebnis von 523 Ja-Stimmen hörte ahnte sie schon, dass es sowohl für eine eigene Mehrheit als auch für eine Kanzlermehrheit gereicht hat. Sie brauste ab Richtung Kanzleramt: Schließlich konnte sie jetzt sicher sein, es darf weiter regiert werden. Vielleicht sogar ruhiger als zuvor. Lastete doch ein großer Druck auf Schwarz-Gelb an diesem Tag. Letztlich ging die Abstimmung zur Erweiterung des Euro-Rettungsschirms EFSF glatt über die Bühne. 523 Abgeordnete stimmten für die Erweiterung, 85 dagegen und drei enthielten sich. Dass es so deutlich werden würde, war von vornherein klar, weil SPD und Grüne angekündigt hatten zuzustimmen. Die große Frage war, schafft Schwarz-Gelb eine eigene Mehrheit und mehr noch, kommt Angela Merkel auf eine Kanzlermehrheit. Und beides haben Union und FDP erreicht. 315 Schwarz-Gelbe stimmten dafür, das sind vier mehr als mindestens für eine Kanzlermehrheit nötig gewesen wären. "Das ist ein starkes Signal", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier danach. Er wusste es als erstes, dass es am Ende klar gelangt hat.

Vorausgegangen ist aber eine hitzige Debatte im Deutschen Bundestag. Bei dem sich vor allem FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück ein interessantes Duell geliefert haben. Brüderle machte vor allem Rot-Grün für die Krise des Euro verantwortlich. "Ihre Aufnahme von Griechenland in die Währungsunion, ihre Fehlentscheidungen und ihre Brechen des Stabilitätspaktes sind die Ursache für die heutigen Probleme in Europa", sagte er. Es sei ein "Glück", dass es nun eine andere Regierung gebe. Kämpferisch und mit voller Leidenschaft gab sich Brüderele. Steinbrück wählte einen anderen Weg. "Ich wollte nicht auftreten wie Rumpelstilzchen, das wäre dem Thema nicht angemessen", sagte er später. Steinbrück wählte den staatsmännischen Weg. Er warf Angela Merkel vor, dass sie die Vorzüge Europas nicht hinreichend erklärt habe. Ihr fehle das Vertrauen der Bürger.

Lesen Sie auf Seite zwei, warum Lammerts Entscheidung, Rederecht an Kritiker zu vergeben, für Aufsehen sorgt.

Am Ende der lange erwarteten Debatte könnte aber ein ganz anderer als die Kanzlerin im Mittelpunkt stehen: Bundestagspräsident Norbert Lammert. Der hatte in einem Alleingang zwei Abweichlern ein Rederecht eingeräumt, das Frank Schäffler von der FDP und Klaus-Peter Willsch von der CDU auch genutzt haben. Schäffler ging sofort in die Vollen. Er warf den europäischen Staats- und Regierungschefs vor, wissentlich Rechtsbruch begangenen zu haben mit den Hilfen für Griechenland. Er sieht Deutschland nun in einer "Knechtschaft". Doch dass die beiden als einfache Abgeordnete losgelöst von ihren Fraktionen reden durften, hat nicht nur die Opposition verärgert, sondern auch in den Regierungsfraktionen für Verwirrung und Ärger gesorgt.

Dass die Kritiker Gelegenheit bekamen, ihren Standpunkt darzulegen, stößt an sich nicht auf Kritik. Hingegen stören sich Abgeordnete sowohl der Regierungsfraktionen als auch der Opposition daran, dass die Reden nicht auf das Zeitkonto der CDU- beziehungsweise FDP-Fraktionen gingen. Denn jeder Fraktion steht nur eine bestimmte Redezeit zur Verfügung. Weil Willsch (CDU) und Schäffler (FDP) zusätzlich sprechen durften, hatten Union und FDP mehr Redezeit als ihnen eigentlich zustand. Auch Peter Altmaier gab zu, dass das wohl noch einmal zu debattieren sein werde. Denn wenn künftig jeder für sich rede, werde eine geordnete Debatte schwierig. Es heißt, das Rederecht für Willsch und Schäffler sei eine einsame Entscheidung von Bundestagspräsident Norbert Lammert gewesen. Diese musste er auch am Donnerstag gleich in einer Sitzung des Ältestenrates des Bundestages rechtfertigen. Grünen-Abgeordnete Ströbele droht schonmal mit einer Klage vor dem Budnesverfassungsgericht. "Seit 10 Jahren bemühe ich mich vergeblich, zum Thema Afghanistan-Krieg einmal im Plenum des Bundestags reden zu dürfen. Meine Fraktion verweigerte mir stets mit großer Mehrheit solches Rederecht, nur weil ich bekanntlich ein andere Auffassung dazu vertrete als diese Mehrheit. Sollte mir weiterhin das Rederecht bei Debatten über Kriegsentscheidungen des Parlaments verweigert werden, werde ich mein Recht als Mitglied des Bundestages auf Rede und Gleichbehandlung beim Bundesverfassungsgericht einklagen. Dieses hat schon 1989 einem fraktionslosen Mitglied des Bundestags zu seinem Rederecht verholfen. Entsprechendes muss mindestens in gleichem Maße für Fraktions-angehörige Abgeordnete gelten."

Mit der Entscheidung des Bundestages am Donnerstag hat Deutschland seinen Gewährleistungsrahmen innerhalb des Euro-Rettungsschirms EFSF erhöht - auf 211 Milliarden Euro. Insgesamt hat der Rettungsschirm ein Volumen von 440 Milliarden Euro. Damit sollen klamme Euro-Staaten vor der Zahlungsunfähigkeit geschützt werden. Mittels der gegebenen Garantien durch kreditwürdige Staaten wie Deutschland, können sich die Krisenländer am Kapitalmarkt selbst Geld zu günstigem Preis leihen. Durch die Erweiterung wurde aber nicht nur das Volumen des deutschen Garantie-Anteils erhöht, sondern auch die Instrumente des Schirms wurden erweitert. So können nun auch Staatsanleihen von möglichen Pleitestaaten von dem Fonds aufgekauft werden. Zudem hat sich der Bundestag ein eindeutiges Mitspracherecht gesichert. Denn künftig müssen Entscheidungen des Fonds - vor allem neue Auszahlungen - vom Deutschen Bundestag gebilligt werden.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wehrte sich in der Debatte gegen Vorwürfe, er würde das Parlament täuschen und es sei bereits eine weitere Erhöhung des deutschen Volumens über die 211 Milliarden hinaus beschlossene Sache auf europäischer und internationaler Ebene. "Das steht nicht zur Debatte". Und er versichert: "Es wird nichts verheimlicht."

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