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Politik: Ehemalige Sowjetunion: Erben-Gemeinschaft

Kasachen-Präsident Nursultan Nasarbajew hatte so Unrecht nicht, als er beim GUS-Gipfel zehn Jahre nach dem Ende der UdSSR in diesem Monat feststellte, dass die Ex-Sowjetrepubliken noch immer mehr verbindet als die Staaten der EU. Bindekitt der GUS sind jedoch vor allem die vom real nicht mehr existierenden Sozialismus ererbten Probleme, bei deren Bewältigung Moskau bisher am weitesten gekommen ist: Marktwirtschaft, vor allem aber Demokratie, sind aber selbst hier noch keineswegs Werte, deren Bestand als hundertprozentig gesichert gelten kann.

Kasachen-Präsident Nursultan Nasarbajew hatte so Unrecht nicht, als er beim GUS-Gipfel zehn Jahre nach dem Ende der UdSSR in diesem Monat feststellte, dass die Ex-Sowjetrepubliken noch immer mehr verbindet als die Staaten der EU. Bindekitt der GUS sind jedoch vor allem die vom real nicht mehr existierenden Sozialismus ererbten Probleme, bei deren Bewältigung Moskau bisher am weitesten gekommen ist: Marktwirtschaft, vor allem aber Demokratie, sind aber selbst hier noch keineswegs Werte, deren Bestand als hundertprozentig gesichert gelten kann. Politik ist auf dem Gebiet der Ex-Union nach wie vor nicht Synonym für Programme, sondern für Personen; im postsowjetischen Russland für Jelzin und Putin.

Jelzin könne nur einreißen, nicht aufbauen - das sagte Ruslan Chasbulatow, lange bevor der Kreml dessen Obersten Sowjet auf dem Höhepunkt des Macht-Duells im Oktober 1993 mit schwerer Artillerie auflöste. Tatsächlich demontierte Jelzin die Strukturen des Zwangssystems zwar, versagte aber bei dem Versuch, sie durch neue zu ersetzen. Die missglückte Privatisierung spaltete die Gesellschaft in wenige sehr Reiche und viele sehr Arme. Unbewältigte ethnische Konflikte aus der Sowjet-Ära eskalierten dadurch zwangsläufig zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Tschetschenien ist nur die Spitze des Eisbergs. Durch den Zerfall der Union und des Satelliten-Lagers ohnehin bereits geschwächt, verlor Russland durch Jelzins chaotische Außenpolitik den letzten Rest imperialer Größe. Durch seine unendliche Krankheitsgeschichte regierte in der Spätphase der Jelzin-Ära zudem nicht "Zar Boris", sondern seine "Familie" - ein Klüngel aus Oligarchen und Apparatschiks, die sich nicht durch Kompetenz, sondern durch persönliche Ergebenheit angedient hatten.

Wladimir Putin übernahm das schwere Erbe mit über 52 Prozent der Wählerstimmen. Ein Vertrauensvorschuss, den er im ersten Jahr seiner Regierung durch ostentativen Aktionismus sogar auf Zustimmungsraten von über 70 Prozent ausbauen konnte. Jetzt, wo knapp die Hälfte der Amtszeit bereits hinter ihm liegt, signalisieren die Eliten jedoch wachsende Unzufriedenheit.

Höhere Renten und Gehälter im Staatssektor, die zudem halbwegs pünktlich gezahlt werden, sind bisher Putins einzige greifbare Erfolge. Probleme, die er anfangs aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verdrängen konnte, holen ihn wieder ein und haben unterdessen meist sogar an Brisanz gewonnen. So muss die "Anti-Terror-Operation" in Tschetschenien als Fiasko verbucht werden. Putin signalisierte daher Gesprächsbereitschaft mit den Rebellen, wurde aber umgehend zurückgepfiffen. Mit einem "Schmachfrieden" im Kaukasus, drohte ein hoher General in der "Iswestija", verliere der einstige "Soldatenkaiser" Putin die Unterstützung des loyalsten Teils der Bevölkerung: der Armee.

Die murrt ohnehin über die schleppende Militärreform, die wegen Massenentlassungen zudem als unsozial empfunden wird. Die jüngsten Degradierungen in der Nordmeerflotte, die als Bauernopfer für den Untergang des Atom-U-Boots "Kursk" gelten, verstärken den Unmut. Noch gefährlicher aber ist, dass die Generalität zunehmend auch politische Entscheidungen des Kreml moniert: Vor allem die Annäherung an den Hauptgegner des Kalten Krieges. Die neue Duldung der US-Präsenz in Zentralasien infolge der Afghanistan-Krise kommt aus ihrer Sicht dem Ausverkauf nationaler Interessen gleich. Eine Meinung, die auch die Geheimdienste teilen. Diese klagen ohnehin, dass ihre Berichte im Kreml nur flüchtig gelesen würden.

Mit dem Angriff auf die letzten freien Medien, wie den Sender TV 6, hat Putin zudem die demokratische und die kommunistische Opposition gegen sich aufgebracht. Zum TV 6 wechselte nach der feindlichen Übernahme des Moskauer Fernsehens durch Regierungs-Loyale das Gros der Journalisten. Ausgerechnet die KP hält Putin jetzt vor, Russlands Engagement in der Anti-Terror-Allianz als einen Blankocheck für "repressive Innenpolitik" zu benutzen. Russlands Kommunisten haben sich nämlich nicht wie ihre Ex-Genossen in Mitteleuropa in Richtung Sozialdemokratie gewandelt, sondern zur Speerspitze der Nationalisten. Und bis vor kurzem sahen sie in Putin noch einen Bruder im Geiste.

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