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Politik: "Eichels Sparziel ist vollkommen unrealistisch"

Kurz vor der nächsten Sitzung des Finanzplanungsrates am Donnerstag wächst der Widerstand der Bundesländer gegen die Sparpläne von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD). Der baden-württembergische Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) hat Eichel aufgefordert, von seinem Ziel abzurücken, das gesamtstaatliche Defizit bis 2004 nahezu auf Null zurückzufahren.

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Kurz vor der nächsten Sitzung des Finanzplanungsrates am Donnerstag wächst der Widerstand der Bundesländer gegen die Sparpläne von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD). Der baden-württembergische Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) hat Eichel aufgefordert, von seinem Ziel abzurücken, das gesamtstaatliche Defizit bis 2004 nahezu auf Null zurückzufahren. "Das ist vollkommen unrealistisch", sagte Stratthaus dem Tagesspiegel.

Eichel hatte im Februar der Brüsseler EU-Kommission im Zusammenhang mit dem angedrohten "Blauen Brief" zugesagt, das Defizit der öffentlichen Etats "near to balance" zu senken. Bund, Länder und Gemeinden könnten in den kommenden zwei Jahren solche Sparleistungen nicht erbringen, sagte Stratthaus. Selbst unter der Voraussetzung, dass das Wirtschaftswachstum 2003 und 2004 die Prognosen übertreffe, seien die Länder "nicht in der Lage, den erforderlichen Sparbeitrag zu liefern".

Stratthaus begründete dies unter anderem mit steigenden Personalausgaben für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und Beamte. Diese summierten sich auf beinahe 50 Prozent der Ausgaben und reduzierten den Spielraum zum Sparen. Vorschläge von Eichel, das Ausgabenwachstum der Länder statt auf zwei auf ein Prozent jährlich zu begrenzen, bezeichnete Stratthaus als "völlig unrealistisch". Er forderte Eichel auf, eine Garantie dafür abzugeben, dass der Bund in Zukunft auf Entscheidungen verzichtet, die die Steuereinnahmen der Bundesländer belasten. Dies sei eine "Grundbedingung" für Verhandlungen über einen nationalen Stabilitätspakt, die er grundsätzlich unterstütze.

Nach Berechnungen von Experten kommen auf Bund, Länder und Gemeinden riesige Sparanstrengungen zu. Will Deutschland Eichels Versprechen umsetzen und bis 2004 das Defizit auf nahe Null drücken, sind Kürzungen von etwa 20 Milliarden Euro nötig. Das hat der Steuerexperte Dieter Vesper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin ausgerechnet. Der Grund: Das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren wird zu mager ausfallen. Das führt dazu, dass der Staat weniger Steuern einnimmt. Also muss er mehr Kredite aufnehmen, damit er seine Ausgaben bezahlen kann. "Um Eichels Ziel zu erreichen, müsste die deutsche Wirtschaft jedes Jahr bis 2004 um etwa 3,5 Prozent wachsen. Das ist fast utopisch", urteilt Vesper.

Zum Vergleich: Nur im Boomjahr 2000 wuchs die Wirtschaftsleistung um 3,0 Prozent. Zwischen 1992 und 1999 stieg der Wert der neu produzierten Güter und Dienstleistungen aber im Schnitt gerade einmal um kümmerliche 1,4 Prozent. Dabei hat DIW-Fachmann Vesper bei seiner Spar-Prognose noch optimistisch gerechnet. Zwar gehen die meisten Fachleute davon aus, dass das Wachstum in der zweiten Jahreshälfte 2002 wieder anspringt und die Wirtschaft im letzten Quartal sogar um mehr als drei Prozent wachsen wird. "Das ist aber nach der langen Flaute nur ein Nachhol-Effekt, der relativ schnell vorüber sein wird", sagt Vesper. 2003 hofft er dennoch auf ein Wachstum von 2,1 Prozent, 2004 auf ein Plus von 2,5 Prozent - und das ergibt dann ein geschätztes gesamtstaatliches Defizit von 1,5 Prozent.

Von Eichels Ziel ist der Staat dann noch immer 20 Milliarden Euro entfernt. Und das, obwohl Eichel es mit der Null-Verschuldung nicht so genau nehmen will. Eine Verschuldungsquote von bis zu 0,5 Prozent sei auch noch in Ordnung, ließ er kürzlich verlauten.

Das aber birgt weitere Risiken. "Wenn der Staat einen solch rigiden Sparkurs fährt, läuft er Gefahr, damit die Konjunktur abzuwürgen", warnt Vesper. Denn würde die Regierung die Steuern erhöhen, gingen Kaufkraft und ein paar Wachstums-Prozentpunkte verloren, "dann würde es mit dem Sparziel doch nicht klappen", warnt Vesper.

Das Bundesfinanzministerium geht nach wie vor davon aus, die in Brüssel gegebenen Zusagen einhalten zu können. "Wenn uns die Konjunktur keinen Strich durch die Rechnung macht, ist das zu schaffen", sagte ein Sprecher des Finanzministeriums dem Tagesspiegel. Man rechne nach wie vor für das laufende Jahr mit einem realen Wirtschaftswachstum von 0,75 Prozent und für 2003 mit einem Wert von 2,5 Prozent.

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