zum Hauptinhalt

Politik: Eichels verspätete Bescherung - Die Börse entdeckt ein unerhofftes Detail der Steuerreform (Kommentar)

Das gab es noch nie: Die Finanzmärkte, die immer alles im Voraus wissen, halten den Atem an. Börsianer reagieren wie das Kind, das zehn Mal so viel unter dem Weihnachtsbaum findet, als es erwartet hatte.

Das gab es noch nie: Die Finanzmärkte, die immer alles im Voraus wissen, halten den Atem an. Börsianer reagieren wie das Kind, das zehn Mal so viel unter dem Weihnachtsbaum findet, als es erwartet hatte. Dabei hätte jeder Börsen-Händler die auslösende Nachricht schon am Dienstag auf der Internet-Seite des Finanzministeriums nachlesen können: Die Bundesregierung plant, Veräußerungsgewinne von Anteilen, die eine Kapitalgesellschaft an einer anderen hält, nicht mehr zu besteuern.

Warum das niemand gemerkt hat? Aus einem trivialen und einem politischen Grund. Wer liest schon genau nach, welche Veränderungen in dröger Referentenprosa des Körperschaftsteuergesetzes Paragraf 8 b, Absatz 2, vorgesehen sind? Die Öffentlichkeit wollte das große Ganze kennen lernen - Tarifverlauf mit Höchst- und Eingangsstufen. Das ist trivial. Politisch ist: Was einer sozialdemokratischen Bundesregierung niemand zutraut, das kann sie auch nicht vorhaben.

Sie hat es aber vor. Im Klartext: Wenn die Deutsche Bank im Jahr 2001 entscheidet, ihre Beteiligung von 20 Prozent an Philipp Holzmann zu verkaufen, erhalten die Aktionäre den Erlös zu hundert Prozent. Die Steuerkasse geht leer aus. Heute wäre ein Satz von 30 Prozent anzulegen; Optimisten hatten mit einer Reduktion auf 25 Prozent gehofft. Kein Wunder, dass die Nachricht, als sie am Donnerstag mit zwei Tagen Verspätung die Runde machte, Versicherungen und Großbanken Kurssprünge von teilweise fast 20 Prozent bescherte und den Dax in Rekordhöhen trieb.

Die Steuerbefreiung könnte tatsächlich jenen Ruck in Deutschland bewirken, den viele lange gefordert haben. Banken und Versicherungen haben die Aufforderung, ihre Beteiligungsmacht zu reduzieren, immer an Vorleistungen des Fiskus gebunden. Jetzt enfällt die Ausrede. Kein Finanzinstitut ist künftig genötigt, alte Industriestrukturen zu zementieren, wenn sich für das Kapital bessere Verzinsungsmöglichkeiten auftun.

Bleibt die Frage, warum der Finanzministrer seine Modernisierungsbombe nicht schon am Dienstag platzen ließ. Der Verdacht liegt nahe: aus Furcht vor den eigenen Reihen. Was die Finanzmärkte den Sozialdemokraten nicht zugetraut haben, wollen viele Sozialdemokraten tatsächlich nicht im Gesetz lesen. Hoffentlich haben sich die Börsen am 23. Dezember nicht zu früh gefreut.

Rainer Hank

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false