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Politik: Eigenlob und Spottgesang

Debatte zur Gesundheitsreform: Ulla Schmidt vermeidet jede Anspielung auf strittige Punkte

Berlin - Der CSU-Gesundheitsexperte Wolfgang Zöller bedankt sich artig bei der FDP. Endlich habe er auch mal die Gelegenheit, die positiven Seiten der Gesundheitsreform darzustellen, sagt der stellvertretende Unions-Fraktionschef: „Das ist erstmals eine Reform, bei der keine Leistungen für die Versicherten gekürzt werden“, lobt er die Arbeit der großen Koalition. Auf Antrag der Liberalen debattiert am Mittwoch ein gutes Dutzend Abgeordnete in der aktuellen Stunde im Bundestag über die geplante Gesundheitsreform. Dabei prallen nicht nur – wie sonst üblich – Koalition und Opposition aufeinander, auch die Koalitionspartner SPD und Union lassen sich die Gelegenheit zu Sticheleien nicht entgehen.

Um die Koalition mit ihren Widersprüchen zu konfrontieren, muss der FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr nur aus dem Koalitionsvertrag zitieren. Während SPD und Union dort noch sinkende Lohnnebenkosten versprochen hätten, müssten die Bürger sich künftig auf Beiträge auf Rekordniveau einstellen. „Sie haben die Entscheidung getroffen, dass die Beiträge im nächsten Jahr steigen“, sagt Bahr. Ein Vorwurf, den die Vertreter der Koalition in der gut einstündigen Debatte nicht wirklich entkräften können. Ohne die Reform würde die Gesundheit noch teurer, erwidert der CSU-Mann Zöller lediglich.

Die umstrittene Gesundheitsreform in fünf Minuten zu erklären – keine leichte Aufgabe für Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Die SPD-Politikerin hebt daher die grundsätzlichen Prinzipien hervor, die sie mit der Gesundheitsreform verknüpft: Die Koalition sorge dafür, dass jeder in Deutschland eine gute medizinische Versorgung bekomme – unabhängig vom Einkommen, vom Wohnort und vom Alter. Breitere Schultern sollten mehr tragen als schmalere Schultern, und der einzelne dürfe nicht überfordert werden. Kein Wort zu den offenen Streitpunkten (Ein-Prozent-Klausel, Private Krankenversicherung, Finanzausgleich zwischen den gesetzlichen Kassen), die nach dem Willen der Koalitionsspitzen bei einem Treffen in der nächsten Woche gelöst werden sollen. „Wir werden im Oktober ins Kabinett gehen“, gibt Schmidt sich zuversichtlich. Der massive Protest gegen die Pläne der Koalition ist für die Ministerin der Beleg, dass Schwarz-Rot auf dem richtigen Weg ist. Das „laute Geschrei“ in der Republik komme von den Besitzstandswahrern, die nur nach dem Motto vorgingen: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“

Die SPD-Gesundheitspolitiker, die an diesem Donnerstag erneut mit den Unions-Kollegen am Verhandlungstisch über die strittigen Details der Gesundheitsreform beraten werden, nutzen im Bundestag noch einmal die Gelegenheit, mit den ungeliebten Ministerpräsidenten der Union abzurechnen. „Wir brauchen keine albernen Hahnenkämpfe, sondern seriöse Sacharbeit“, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin Carola Reimann. Sie erinnert die Länder daran, dass sie mit am Tisch gesessen hätten, als die Eckpunkte beschlossen wurden. „Es gibt keine Extrawurst für Bayern“, sagt Reimann mit Blick auf die Forderung des CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber, den bayerischen Krankenkassen bei der Einführung des Gesundheitsfonds regionale Zuschläge zu gewähren.

Die drei kleinen Oppositionsparteien haben nur Spott für die Arbeit der Koalition übrig. Der FDP-Politiker Heinz Lanfermann greift zu einem Vergleich aus der Märchenwelt. Auch wenn jeder sehen könne, dass der Gesundheitsfonds nichts tauge, traue sich keiner, das offen auszusprechen, sagt Lanfermann. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sei der einzige, der wie das Kind im Märchen laut rufe: „Der Kaiser hat ja gar nichts an.“ Die Grünen-Gesundheitsexpertin Biggi Bender lästert, es sei kein Wunder, dass die Koalition ausgerechnet über die Überforderungsklausel streite – die Koalition sei schließlich völlig überfordert. Es wäre gut, noch einmal von vorne anzufangen, rät sie den Parlamentariern von Union und SPD. Auch Martina Bunge von der Linksfraktion empfiehlt der Koalition: „Packen Sie die missglückte Reform ein.“

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