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Politik: Ein bedeutender Partner, der Klartext verträgt

Langfristige Kooperation, aber keine Abstriche bei den GrundwertenHans-Dietrich Genscher Die EU und Russland sind einander bedeutsame Nachbarn. Alle Bemühungen, das Verhältnis mit Russland zu verbessern, verdienen Unterstützung.

Langfristige Kooperation, aber keine Abstriche bei den GrundwertenHans-Dietrich Genscher

Die EU und Russland sind einander bedeutsame Nachbarn. Alle Bemühungen, das Verhältnis mit Russland zu verbessern, verdienen Unterstützung. Die Besuche des italienischen Außenministers Dini und des deutschen Außenministers Fischer haben offensichtlich diesem Ziel gedient. Die Europäische Union ist gut beraten, wenn sie auf eine langfristige immer engere Kooperation mit Russland setzt. Der Beschluss der NATO aus dem Jahre 1967, als höchstes Ziel der NATO im Harmel-Bericht formuliert, eine gerechte gesamteuropäische Friedensordnung zu schaffen, darf niemals aus dem Auge verloren werden.

Für die EU hat dieses Ziel besonderes Gewicht. Die EU ist es auch, die einen wichtigen Beitrag zu dieser Friedensordnung leisten kann. Der langfristige Kooperationsvertrag ist das Instrument dazu. Die Schaffung einer gesamteuropäischen Infrastruktur im Bereich der Verkehr, Energie und Telekommunikation muss eines der zentralen Ziele sein. Das Gleiche gilt für eine Freihandelszone, die Russland und die anderen Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion einschließt. Das Bemühen um eine Zusammenarbeit mit Russland und das Wissen um die Bedeutung dieser Zusammenarbeit gebietet es keineswegs, Themen auszuklammern, in denen es unterschiedliche Auffassungen gibt. Das ist im Augenblick besonders eklatant für die Bewertung des Krieges in Tschetschenien. Die beiden Außenminister haben es bei ihrem Besuch in Moskau an Klarheit und Verantwortung nicht fehlen lassen.

Vielfach wird im Westen unterschätzt, welche psychologischen Wirkungen in Russland eine Reihe von westlichen Entscheidungen gehabt haben. Hierher gehört die wohlbegründete Aufnahme neuer Mitglieder in die NATO. Das Recht dieser Länder auf freie Wahl eines Bündnisses ist genauso legitim, wie das der Deutschen bei der Vereinigung. Dennoch war die Akzeptanz des einen wie des anderen für Moskau keine Selbstverständlichkeit. Natürlich haben auch die Entscheidungen für die Intervention im Kosovo in Moskau erhebliche Wirkungen gehabt. Auch das sollte psychologisch nicht unterschätzt werden.

Für den Westen wird wichtig sein, dass er sein Grundwerteverständnis, das mit der Charta von Paris auch von Russland akzeptiert wurde, ohne Abstriche zum Maßstab seines Verhältnisses zu Russland macht. Er muss aber auch dafür Sorge tragen, dass nicht die Gefahr der Selbstisolierung Russlands erhöht wird durch eine Vernachlässigung einer wichtigen Institution wie der OSZE, in der Russland und alle anderen Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion gleichberechtigte Mitglieder sind.

Vor diesem Hintergrund ist der Vorschlag des OSZE-Vorsitzenden, des österreichischen Außenministers Schüssel, die OSZE insbesondere auch für Tschetschenien zu aktivieren, von großer Bedeutung. Immerhin gelang es mit der KSZE, der Vorgängerin der OSZE, Europas und Deutschlands Spaltung zu überwinden. Damals standen sich zwei ideologisch völlig entgegengesetzte Systeme gegenüber.

Heute zeigt auch die schwierige Übergangsentwicklung in Russland, dass alle politischen Kräfte Russlands bemüht sind, sich im Verfassungsrahmen zu bewegen. Das ist eine Ermutigung genauso wie die Bemühungen um innere, vor allem auch wirtschaftliche Reformen, so zögernd sie im Einzelnen sein mögen. Der erfolgreiche Übergang von der Konfrontation zur Kooperation im Ost-West-Verhältnis muss seine Fortsetzung finden in immer engerer Kooperation. Dafür ist die OSZE die geeignete Organisation. Sie hat sich 1992 als regionale Abmachung im Sinne der Charta der Vereinten Nationen etabliert. Das eröffnet größere Möglichkeiten für Konfliktprävention und Konfliktlösung. Die OSZE kann einen eigenen Sicherheitsrat schaffen. Das würde ihre Handlungsfähigkeit erhöhen.

Es lohnt sich, mit Russland das Thema Revitalisierung der OSZE aufzunehmen und es auf die europäische Tagesordnung zu setzen. Deutschland und Frankreich haben in der Vergangenheit viel bewegt, auch im Ost-West-Verhältnis. Sie sollten jetzt für eine Revitalisierung der OSZE eintreten. Sie können sich breiter Unterstützung innerhalb der EU schon jetzt sicher sein.Der Autor war von 1974 bis 1992 Bundesaußenminister.

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