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Politik: Ein bisschen Revolution

Selbst ärmere Länder wollen den Finanzausgleich jetzt ändern – und das Geld vom Bund verteilen lassen

Berlin - In Geldsachen höre die Gemütlichkeit auf, hat der preußische Liberale David Hansemann schon vor gut 150 Jahren gesagt – ein klassischer Satz aus der deutschen Parlamentsgeschichte, an den sich die Mitglieder der zweiten Föderalismuskommission vermutlich häufiger erinnern werden, als ihnen lieb ist. Denn die Föderalismusreform II dreht sich nur ums Geld.

Ein zweiter Klassiker aus dem Zitatenschatz der deutschen Politik ist deshalb derzeit wieder sehr beliebt: Es darf keine Verlierer geben. Für den Bremer Regierungschef Jens Böhrnsen (SPD) sind beide Sätze relevant – das hoch verschuldete Land muss bei einer Reform der Finanzverfassung fürchten, Verlierer zu sein. Ungemütlich wird es für die finanzschwächeren Länder in jedem Fall.

Deshalb hat Böhrnsen ein Papier geschrieben, in dem er seinen Kollegen in den Ländern nahezubringen versucht, möglichst schnell zu einer gemeinsamen Linie zu finden: Gemeinsamkeit macht schließlich stark.

Um Unterstützung zu finden, ist Böhrnsen bereit, auf Forderungen der starken Länder einzugehen. So hält er es für möglich, dass die Länder mehr Steuerautonomie bekommen – eine kleine Revolution, denn noch in der ersten Runde der Reform haben die schwächeren Länder das abgelehnt. Böhrnsen kann sich eine „Übertragung der Gesetzgebungskompetenz bei weiteren Ländersteuern und auch Zuschlagsrechte bei Gemeinschaftsteuern“ vorstellen. Reine Ländersteuern sind Kfz-, Bier-, Erbschaft- und Vermögensteuern, Zuschläge kämen bei der Einkommensteuer in Frage. Zudem ist Böhrnsen bereit, auch über den Finanzausgleich zu reden, was die schwächeren Länder bislang abgelehnt haben. Auch hier schlägt Böhrnsen Revolutionäres vor: Eine Verringerung des direkten Länderfinanzausgleichs und eine „stärkere Vertikalisierung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems“. Das hieße, den Bund stärker in die Pflicht zu nehmen. Darin hat Böhrnsen einen prominenten Unterstützer: Altbundespräsident Roman Herzog ist auch der Ansicht, dass der Bund angesichts der hohen Finanzkraftunterschiede das „Ausgleichsgeschäft“ selbst besorgen sollte.

Auf Bundesseite wappnet man sich bereits, falls solche Überlegungen in den Ländern an Stärke gewinnen. Steuerautonomie der Länder? Sollen die mal fordern, meint die Bundesregierung.

Aber in der Antwort von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) zu einer Anfrage der Grünen-Fraktion heißt es dann auch unmissverständlich: „Der prägende Einfluss des Bundes auf die Gestaltung der nationalen und internationalen Steuerpolitik muss zumindest erhalten bleiben.“

Ortwin Runde, Finanzfachmann der SPD-Bundestagsfraktion, hält mehr Steuerautonomie der Länder für möglich. Allerdings „sollte man erst einmal darüber reden, ob die Steuerarten, die den Ländern zustehen, im internationalen Vergleich auch wirklich genügend genutzt werden“, sagte er dem Tagesspiegel. Bei der Ausschöpfung der Erbschafts- und Vermögensteuer „liegt Deutschland am Ende der Tabelle“. Auf Bundesseite will man also grundsätzlich nicht auf diese Steuerarten verzichten, was bei einer Autonomie der Länder aber zumindest denkbar wäre.

Runde, als ehemaliger Hamburger Bürgermeister erfahren in Finanzausgleichsdingen, hält auch wenig von einer Generalreform der bundesstaatlichen Geldverteilungsmaschinerie. „Eine Vertikalisierung des Finanzausgleichs – eine formvollendete Verkleidung der beabsichtigten Lösung über die Schatulle des Bundes – ist keine Antwort auf die Finanzierungsprobleme der öffentlichen Haushalte.“ So einfach lasse sich der Länderfinanzausgleich nicht verkleinern oder gar ersetzen. „Denn dann würde sich ganz besonders das Problem des ,goldenen Zügels’ stellen, also der finanziellen Abhängigkeit der Länder vom Bund, jedenfalls der Länder, die finanzschwach sind.“

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