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Politik: Ein Brief, der in Prag nicht gut ankommt

Fischer wünscht sich humanitäre Geste für die Sudetendeutschen

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Von Paul Kreiner, Wien,

und Hans Monath

Ein Brief von Außenminister Joschka Fischer (Grüne) zu Wiedergutmachungsleistungen für Sudetendeutsche droht die deutsch-tschechischen Beziehungen zu belasten. Fischer befürwortet in dem Schreiben an den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) „das Projekt einer humanitären Geste gegenüber besonders schwer geschädigten Sudentendeutschen“, wie die „Süddeutsche Zeitung“ am Mittwoch berichtete. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes stellte daraufhin klar, dass der Außenminister darin keineswegs Entschädigungsleistungen für Sudetendeutsche gefordert habe. Vielmehr habe er sich für eine humanitäre Geste nur unter der Voraussetzung ausgesprochen, dass dies von der tschechischen Seite befürwortet werde. Der materielle Inhalt einer solchen Geste sei auch nicht näher bestimmt worden.

Über Zahlungen an Opfer beider Seiten entscheidet der deutsch-tschechische Zukunftsfonds. Der Fonds war von beiden Regierungen im Jahr 1997 in einem Abkommen ins Leben gerufen worden, das die Versöhnung jenseits der Belastungen der Geschichte voranbringen sollte. Die Satzung des Fonds räumt den Opfern des Nationalsozialismus eine Vorrangstellung ein. Für die Sitzung am 10. und 11. Juli in Prag liegt dem aus beiden Ländern paritätisch besetzten Verwaltungsrat ein Antrag der Arbeitsgemeinschaft sudetendeutscher Sozialwerke auf Zahlungen für deutsche Opfer tschechischer Gewalt vor.

Der tschechische Außenminister Cyril Svoboda ging am Mittwoch zwar nicht direkt auf den Brief seines deutschen Amtskollegen ein, wandte sich aber entschieden gegen eine „humanitäre Geste“ in Form von Entschädigungszahlungen für vertriebene Sudentendeutsche. Der Zukunftsfonds habe bereits einen ähnlichen Antrag erhalten und ihn mit dem Auftrag des Fonds für unvereinbar erklärt, sagte Svoboda. Unterdessen bemühten sich sowohl das Auswärtige Amt in Berlin als auch das Prager Außenministerium, die positive Entwicklung der gegenseitigen Beziehungen zu beschwören.

Die Belastung des Verhältnisses zu Prag kommt allerdings zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Vor dem tschechischen EU-Referendum vor zwei Wochen hatte die Regierung in Prag die Problematik der Vertreibungen von Sudetendeutschen bewusst gemieden. Seit dem positiven Ausgang der Abstimmung aber hat Ministerpräsident Vladimir Spidla zweimal Grundsatzerklärungen im Geist der Versöhnung abgegeben.

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