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Politik: Ein brisantes Geschäft

Paris hilft Libyen bei Atomprogramm

Der Atomstreit mit Iran hindert Frankreich nicht daran, seine Nukleartechnologie zu exportieren. Trotz Dementis ist auch Libyen als Kunde im Gespräch. So erklärte der französische Abgeordnete Patrick Ollier nach einem dreitägigen Besuch in Tripolis, „in den kommenden zwei Wochen“ werde Frankreich mit Libyen eine bedeutende Vereinbarung über die atomare Zusammenarbeit unterzeichnen. Über den Inhalt des Vertrags zwischen dem französischen Staatskonzern Areva und Libyen durfte Ollier nichts verraten. Der 61-jährige Parlamentarier Ollier von der Regierungspartei UMP ist übrigens auch der Lebensgefährte von Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie – was in diesem politisch sehr brisanten Zusammenhang nicht als rein privates Detail betrachtet werden kann.

Verärgert über Olliers Indiskretion dementierte Areva-Sprecher Charles Hufnagel am Montag, dass „irgendein Vertrag mit Libyen unterzeichnet“ werde. Die Vorsicht hängt vielleicht auch damit zusammen, dass Areva am kommenden Mittwoch vor der Presse die Firmenergebnisse für 2005 bekannt geben will.

Keine Berührungsängste mit Libyen hat hingegen der Sprecher des Pariser Außenministeriums. Er bestätigte am Montag erneut, dass bilaterale Verhandlungen über eine nukleare Kooperation laufen. Spätestens seit dem Besuch von Staatspräsident Jacques Chirac beim libyschen Staatschef Muammar Gaddafi 2004 ist der nordafrikanische Staat auch für Paris diplomatisch und wirtschaftlich wieder salonfähig.

Der Wettlauf um die Lieferung von ziviler Atomtechnologie hat spätestens in Indien begonnen, als nach Chirac auch US-Präsident George W. Bush bei seinem Besuch in Neu-Delhi in der vergangenen Woche ein Abkommen über nukleare Zusammenarbeit unterzeichnete. Das staatliche französische Kernenergieunternehmen Areva hat den Vorteil, dass es seinen Kunden ein umfassendes Know-how anbieten kann, das von der Gewinnung und Anreicherung von Uran über die Herstellung und Wiederaufbereitung von Brennstäben bis zur Lieferung von Kraftwerken mit den neuesten Hochdruckreaktoren reicht. Der zusammen mit Siemens entwickelte EPR (European Pressurized Reactor) soll sogar zum französischen Exportschlager der nächsten Jahre werden.

Der kommerzieller Erfolg des EPR ist auch notwendig, um die von Chirac bereits angekündigte nächste Generation von Reaktoren zu entwickeln. Unter diesem Sachzwang nimmt Frankreich den Einwand, dass die Grenze zwischen ziviler und militärischer Nutzung manchmal vage wird, etwas weniger ernst. Dazu hatte das französische Außenministerium schon erklärt, eine nukleare Zusammenarbeit könne jederzeit abgebrochen werden, falls sich herausstellt, dass die Verpflichtung zur ausschließlich friedlichen Nutzung nicht respektiert würde.

Rudolf Balmer[Paris]

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