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Politik: Ein Defizit an Überzeugung

Von Hans Monath

Mit einem kleinen Satz hat die Kanzlerin im Bundestag eine grundsätzliche Entscheidung verkündet: Zum ersten Mal lehnt eine Bundesregierung eine Beteiligung an einer UN-Militärmission ab, bevor eine Anfrage aus New York vorliegt. „Ich sehe im Augenblick keine Möglichkeit, dass wir zusätzlich zum Kongo jetzt auch noch ein Engagement zusätzlicher Art in Darfur übernehmen“, sagte Merkel.

Das ist wenig Aufmerksamkeit für eine afrikanische Tragödie, in der bis heute rund 300 Mal mehr Menschen als im Libanonkrieg getötet wurden. Aber die Debatte über noch eine Militärmission will die Kanzlerin derzeit nicht. Zu groß sind der Unmut und die Unsicherheit der Deutschen darüber, dass ihre Soldaten ihr Leben nicht nur für eine Wahl im Kongo riskieren, sondern auch noch in den Libanonkonflikt eingreifen sollen.

Man könnte zumindest argumentieren, dass der Nahostkonflikt das Sicherheitsinteresse Deutschlands viel unmittelbarer berührt als das Sterben im Sudan, schon allein, weil die Wege dorthin kürzer sind. Aber Angela Merkel hat eine andere Begründung gewählt. Sie sagt nicht, die Bundesregierung wolle nicht handeln, sie sagt: Wir können es nicht, die Möglichkeiten sind erschöpft. Am gleichen Tag kündigt sie in unangreifbarer, aber deutlicher Form auf längere Sicht mehr Mittel für die Bundeswehr an.

Falls das Parlament, wofür viel spricht, kommende Woche den Libanoneinsatz genehmigt, werden ständig mehr als 10 000 deutsche Soldaten im Ausland Dienst tun. Und es ist absehbar, dass in einer Welt, die nicht jeden Tag mit großen Schritten friedlicher wird, weitere Anfragen nach deutschen Soldaten auf Regierung und Bundestag zukommen.

Merkels Satz ist also richtig, dass die Bundeswehr noch nicht fähig ist, all jene Aufgaben auszuführen, die sie künftig wird leisten müssen. Die Kanzlerinnen-Intervention greift aber zu kurz. Auch die anderen Instrumente deutscher Außen- und Sicherheitspolitik, die wirken, lange bevor nur an Militär gedacht wird, sind unterfinanziert. Die Friedensdividende, die viele nach 1989 erwartet hatten, konnte leider nie realisiert werden. Denn nicht nur die Aufgaben der Bundeswehr sind seit 1989 gewachsen, auch jene der deutschen Diplomaten und Entwicklungshelfer. Vergleicht man die außenpolitischen Apparate, die andere Nationen zur Durchsetzung ihrer Werte und Interessen unterhalten, schneidet die Bundesrepublik schlecht ab.

An den aktuell umstrittenen Auslandseinsätzen kann jeder besichtigen, wohin die politische Vernachlässigung von Konflikten führt: Nach dem Abzug der Sowjets aus Afghanistan blieb das Land so lange weitgehend sich selbst überlassen, bis die Taliban die Kontrolle übernahmen und Al Qaida eine Basis boten. Und Israels Rückzug aus dem Südlibanon im Jahr 2000 hinterließ ein Machtvakuum, das die Hisbollah gern füllte.

Sogar im Bundestag ist es oft schwierig, den Stellenwert von Außen- und Sicherheitspolitik zu verteidigen. Hinter jedem Sozial- oder Verkehrspolitiker steht eine riesige Lobby bereit, die sich mobilisieren lässt. Es ist trotzdem richtig, über Geld zu reden, über mehr Geld für Außenpolitik, Entwicklungshilfe, Militär. Noch wichtiger aber wäre es, den Menschen deutlich zu machen, dass dieses Geld in ihrem eigenen Interesse gut angelegt ist. Das größte Defizit weist nicht der Etat auf. In Wirklichkeit braucht es mehr politische Überzeugungskraft, die Deutschlands Aufbruch in die Welt erst verständlich machen könnte.

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