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Politik: Ein fast präsidialer Kanzler

TV-Debatte: Schröder glänzt als Kommunikator – Merkel nennt Kritik an Kirchhof „unwürdig“

Von Hans Monath

Berlin - Die Spitzenpolitiker der Union führten heftig Beschwerde über den Wahlkampfstil des Gegners. „Was die Sozialdemokraten da im Moment machen, spottet jeder Beschreibung“, klagte Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel. Gerhard Schröders Polemik gegen die Union und insbesondere gegen deren Steuerexperten Paul Kirchhof sei eines Bundeskanzlers „unwürdig“. CSU-Chef Edmund Stoiber nahm sich Außenminister Joschka Fischer (Grüne) wegen dessen Attacken auf die Irak-Politik der Union vor: „Das ist eine absolute Unverschämtheit, wie Sie hier formulieren.“

Das zweite Aufeinandertreffen von Schröder und Merkel in einer TV-Debatte in der heißen Phase des Wahlkampfes verlief am Montagabend lebendiger und frischer als das von den beiden Kandidaten allein bestrittene „TV-Duell“ vor zehn Tagen – vielleicht auch deshalb, weil unter der Moderation des MDR kein starrer Zweikampf der Großen zu sehen war, sondern sich neben Schröder und Merkel auch Fischer, Stoiber, FDP-Chef Guido Westerwelle und Gregor Gysi (Linkspartei) heftig ins Zeug legten und teils auf eigene Rechnung stritten.

Die Sechser-Konstellation freilich gab dem noch amtierenden Regierungschef jede Gelegenheit, seine kommunikativen Stärken vor den Kameras zu entfalten – und die nutzte Gerhard Schröder auch: Mit Tonlage und Gestik, mit voll tönendem Bariton und einladenden Handbewegungen gelang Schröder das Kunststück, sowohl scharf angebliche unsoziale Pläne des Gegners zu attackieren und den anderen Diskutanten ins Wort zu fallen, als auch milde lächelnd die Autorität eines fast präsidialen Kanzlers auszustrahlen. Fischer hatte die Aufgabe übernommen, als ständiger Provokateur und Zwischenrufer die Gegner zu verunsichern. Angela Merkel zeigte keine Nervosität und versuchte bei ihren Einsätzen, die Debatte konzentriert zu dem Zentralthema Arbeitslosigkeit und Reformbedarf zu führen, wirkte aber in der eineinhalbstündigen Sendung insgesamt weit weniger präsent als der Amtsinhaber.

Dem kam schon die Sitzordnung entgegen, in der er gemeinsam mit Fischer die Mitte besetzt hielt – so konnte er sich abgrenzen sowohl von angeblich unsozialen Plänen von Union und FDP als auch von den angeblich falschen Versprechungen der Linkspartei auf dem anderen Außenflügel. Sowohl die zwei Koalitionspolitiker als auch die drei bürgerlichen Politiker traten stärker als bislang als Vertreter gemeinsamer politischer Lager auf. „Mit dem gleichen Partner wie 2002“ wolle er regieren, kündigte Schröder an. „Das sind wir doch gewesen, die die unpopulären Dinge durchgesetzt haben, Herr Fischer und ich, und ich vorneweg.“

Dagegen versuchten Union und FDP immer wieder das angebliche Scheitern der Regierung an ihren Kernaufgaben zu beleuchten. „Nichts ist unsozialer als die Arbeitslosigkeit in Deutschland“, warnte FDP-Chef Westerwelle. Gysi immerhin schien es nicht zu stören, dass er als Einziger ganz für sich alleine kämpfen musste. „Ich hab’ am wenigsten geredet“, befand er schließlich, „aber am meisten gesagt.“

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