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Politik: Ein Gebot der Not

Von Caroline Fetscher

Haben Sie gestern Abend im Fernsehen die große Sudan-Gala verfolgt? Wie da hunderte glamouröser Prominenter Millionen Bundesbürger zur Spendenaktion aufriefen, gegen den gewaltigen Tsunami aus Profitgier und Massenmord in Sudans Provinz Darfur? Sie haben sie natürlich nicht gesehen. Es gab sie ja gar nicht. Denn die südlich von Libyen, östlich des Tschad liegende Region Darfur, anderthalb Mal so groß wie Deutschland, hat auf unserer öffentlichen Landkarte noch kaum einen Ort gefunden. Sie taucht nur dann und wann auf in Szenen von Hüttenlagern in der Wüste oder wilden, berittenen Dschandschawid-Milizen mit kolonialem Orientflair. Nein, den Sudan haben wir bisher nicht „auf dem Radar“, wie das unter Militärs und Diplomaten heißt.

Gestern aber haben viele Bundesbürger im „Morgenmagazin“ gesehen und gehört, wie Verteidigungsminister Franz Josef Jung erklärte, er sei bereit, im Rahmen eines Gesamtmandats der Vereinten Nationen Soldaten der Bundeswehr in den Einsatz gegen Afrikas derzeitige Völkermörder zu entsenden. Der Mut und die Tragweite einer solchen Aussage sind erheblich. Hier ginge es nämlich nicht darum, wie vor der Küste des Libanon den Schiffsverkehr im Auge zu behalten oder im Kongo die Wahlurnen, sondern um Einsatz in unmittelbarem Kampfgebiet. So viel ist auch dem Sicherheitsrat der UN klar, der mit dem Thema Darfur seit 2004 ringt und dazu im März vergangenen Jahres zum ersten Mal den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag anrief. Dort wird jetzt ermittelt. Im Sudan wird weiter gemordet.

Will man ernsthaft eingreifen, wäre es mit einem Zuschauer-Mandat oder einem prestigekosmetischen Einsatz nicht getan. Wo es schon mindestens 200 000 Tote gibt und zwei Millionen Bürger vertrieben wurden, wird ein Blauhelm mit einem Menschenrechtshandbuch wenig Eindruck machen. Nun haben die UN aber auch noch gar kein Gesamtmandat für den Sudan, dessen Regierung in Khartum sich sperrt und wider jeden Beleg behauptet, sie habe mit den marodierenden Milizionären im ölreichen Territorium Darfur nichts gemein.

Minister Jung glaubt, den Bundestag hinter sich zu haben, wenn er Soldaten in diese Mission schicken wollte. Verbale Bekenntnisse zum Einsatz für Menschenrechte hat es bisher einige gegeben, etwa von Heidemarie Wieczorek-Zeul. Die CSU aber schreit auf. Kanzlerin Angela Merkel hält sich bedeckt. Dass die Bundeswehr bereits ein Mandat für den Sudan hat, dass dort ein paar Dutzend Soldaten als Logistiker und Militärbeobachter tätig sind, wussten viele bei uns noch gar nicht. Das kann im Stillen geschehen. Ein robustes Mandat nicht.

Wer davor Scheu hat, der sollte an einen Mann aus Kanada denken. Im Sommer 2000 fand ihn die Polizei in Ottawa bewusstlos auf einer Parkbank liegen, zusammengekrümmt. Dieser Mann, Romeo Dallaire, hatte 1994 die Blauhelmtruppen der UN in Ruanda befehligt. Er sah dort das Morden kommen, doch im New Yorker Hauptquartier untersagte man ihm jegliches Intervenieren. Dann geschah der Genozid und 800 000 Ruander starben. Als Dallaire auf dieser Parkbank lag, hatte er eine Überdosis Tabletten genommen, nicht sein erster Suizidversuch. Er suchte schließlich Therapie und schrieb ein Buch, damit andere von seinen Erfahrungen lernen. „Mein Hass“, sagte Romeo Dallaire, „war grenzenlos, gegenüber all den westlichen Ländern, die den Genozid hätten stoppen können. Sie alle haben uns alleine gelassen.“

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