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Politik: Ein Gesetz gegen 1652 Prozesse

Italiens oberstes Gericht zeigt: Halbiert Rom wie geplant die Verjährungsfristen, werden fast alle Korruptionsverfahren eingestellt

Rom/Berlin - Ein Gesetzesvorhaben der italienischen Regierung, das die Verjährungsfrist für mehrere schwere Delikte halbieren soll, wird dazu führen, dass mehr als die Hälfte aller Prozesse vor dem obersten Gerichtshof des Landes eingestellt werden müssen. Nach einer Studie, die das Gericht jetzt an den Justizminister geschickt hat, wären 1652 von 3365 der aktuellen Verfahren betroffen. So könnte die Justiz dann fast keinen Angeklagten mehr verurteilen, der wegen Korruption vor Gericht steht (88,8 Prozent), von den mutmaßlichen Betrügern gingen zwei Drittel (65,3 Prozent) straflos aus, ebenso wie etwa ein Viertel der Beamten (23 Prozent), die wegen Unterschlagung im Amt angeklagt sind. Auch gegen die Beamten, die 2001 beim G8-Gipfel in Genua Demonstranten verprügelten und Beweise fälschten, gäbe es keinen Prozess mehr und in vielen Fällen von Gewalt in der Familie.

Das Verjährungsgesetz ist als „Lex Previti“ berüchtigt; es gilt als juristischer Rettungsring für Cesare Previti, den ehemaligen Anwalt von Ministerpräsident Berlusconi. Previti wurde in zwei Korruptionsverfahren zu insgesamt zwölf Jahren Haft verurteilt – unter anderem wegen fortgesetzter Richterbestechung. Der Anwalt war im ersten Kabinett Berlusconi 1994 Verteidigungsminister. Seine Ernennung um Justizminister hatte er damalige Staatspräsident Scalfaro verweigert.

Das Gesetz, das in Italiens Justiz nach Angaben der Zeitung „La Repubblica“ als „folgenschwerer Fall einer Amnestie“ angesehen wird, soll in zwei Wochen endgültig das Parlament passieren. Doch dort dürfte es, nachdem die höchsten Richter ihre Daten bekannt gemacht haben, nicht nur auf den Widerstand der Opposition stoßen, die in dieser Woche bereits 79 Änderungsanträge stellte. Auch der Präsident der Abgeordnetenkammer Pier Ferdinando Casini, dessen christdemokratische UDC zu Berlusconis Koalition gehört, hat Justizminister Castelli aufgefordert, zu der Studie Stellung zu nehmen und seine eigenen Zahlen zu präsentieren. Das tat der auch, aber sehr vorsichtig: Es handle sich vorerst um eine „statistische Auswertung von Teildaten“, man werde erst im weiteren Verfahren sehen, welchen Effekt das Gesetz habe. Die Christdemokraten haben angekündigt, sie wollten sich Zeit für die Entscheidung lassen, ob sie dem Gesetz zustimmen. Viel Zeit hat die Regierung aber nicht mehr. Im Frühjahr wird ein neues Parlament gewählt, und die Umfragen sehen Berlusconis Koalition im freien Fall. Nur wenn das Gesetz über die Verjährung noch in dieser Legislaturperiode in Kraft tritt, ist Berlusconis Ex-Minister gerettet. Andernfalls verjähren die Korruptionsvorwürfe gegen ihn erst 2008.

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