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Politik: Ein grüner Patriot

Von Bernd Ulrich

Ein schönes Bild zum Abschied. Deutschland freut sich an sich selbst, fröhlich, versöhnt, etwas stolz, dabei selbstironisch – während Joschka Fischer ganz nebenbei die Bühne verlässt. Es ist wohl das Deutschland, das er gewollt hat, es ist auch der Fußball, den er gespielt hätte, wenn ihm dazu ebenso viel Talent wie zur Politik gegeben wäre. Und vermutlich hat Joschka Fischer zum neuen Patriotismus mehr beigetragen als Jürgen Klinsmann.

Mehr zumindest als diejenigen, die immer schon wussten, dass alles gut wird mit diesem Land. Nach dem Krieg hat sich das kollektive Bewusstsein eines geschlagenen und moralisch zerstörten Landes aufgespalten. Die Rechten fanden gleich wieder alles richtig, während die Linken die Funktion des – im Kern durchaus berechtigten – Selbstmisstrauens übernahmen. Einer von denen, die den Deutschen und ihrem neuen Staat besonders nachhaltig misstrauten, war dieser Joschka Fischer. Er machte, wie viele in seiner Generation, in dieser Kritik seine Fehler, er übertrieb und sah oft erst spät, dass sich das Land schon geändert hatte. Doch im Laufe der Jahre hat er sich als Vorbild und Sprecher einer Generation dem Land anverwandelt – und das Land sich ihm und ihr.

Die höchste und schwierigste Schwelle, über die Joschka Fischer die Linke dabei ziehen musste, war der Krieg. Noch zu Beginn der 90er Jahre lehnte der militante Anti-Militarist jede Art von kriegerischer Intervention seitens der Bundeswehr ab. Er glaubte, dann würde Deutschland wieder süchtig nach Größe, Nation und Aggression. 1999 führte Fischer die Linke – und in Fragen von Krieg und Frieden ist das durchaus eine große Mehrheit – in den Kosovokrieg. Er glaubte nicht mehr an einen Rückfall, sondern endlich an den zivilisatorischen Fortschritt der Deutschen. Damit war bei ihm und durch ihn die Versöhnung der Deutschen mit sich selbst weitgehend vollzogen. Es fehlte noch ein Nein zu einem Krieg, damit klar wurde, dass dieses Land zu einer neuen Balance gefunden hat. Seit Fischer und Schröder den Irakkrieg ablehnten, ist das Land bei sich. Nicht immer gut natürlich, aber frei, souverän und unaggressiv.

Nun geht Fischer nach Amerika. Auch das ist stimmig. Seine Mission hier war erfüllt, Rot-Grün nach sieben Jahren am Ende, Fischer ohne rechtes Ziel, jedenfalls in der Politik, jedenfalls in Deutschland. Er wird jetzt Professor, genauer gesagt: Fischer wird es nun auch formell. Eigentlich war er ja schon Professor, als er noch im Auswärtigen Amt saß, sozusagen der einzige deutsche Philosoph mit Leibwache. Denn die Welt befand sich seit seinem Amtsantritt in einem tiefgreifenden Umbruch, zu fundamental, als dass der Außenminister einer mittleren Macht und einer kleinen Partei daran so viel mitgestalten konnte, wie er gewollt hätte. Der weltpolitische Wandel ging über seine Macht hinaus – über seinen Verstand keineswegs. Fischer ist einer der schnellsten und klügsten Welt-Zusammendenker, ein Job, der nun wirklich gebraucht wird angesichts der neuen globalen Unübersichtlichkeit.

Fischer wollte nie Schwarz-Grün oder konnte nicht. Umso schöner und ironischer wäre es, wenn einst eine solche Koalition geschmiedet würde und er zurückkäme: als Bundespräsident. Von der WG in Frankfurt-Bockenheim bis ins Schloss Bellevue am Tiergarten – das würde man ihm gönnen. Und sei es nur, um den alten Straßenkämpfer bei der Weihnachtsansprache zu sehen. Rechts der Adventskranz, links die deutsche Fahne.

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