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Politik: Ein Holocaust-Leugner und sein Fanclub

Vor dem Mannheimer Landgericht hat der Prozess gegen Ernst Zündel begonnen – mit Verzögerungen

Von Frank Jansen

Schon vor dem modernen Justizgebäude demonstriert ein Rentner seine Verehrung für den Angeklagten mit einem Transparent. Da steht: „Zündel – Zündel – Zündel – Deutschland kämpft für die Wahrheit“. Und als Ernst Zündel den Gerichtssaal betritt, brandet Beifall auf. Die meist älteren Zuschauer beklatschen ihren Helden, auch wenn der kleine Mann in seiner verbeulten Jeans und dem schwarzen Sakko wie ein biederer Opa wirkt. Doch Zündel ist für die meisten im Saal 1 des Landgerichts Mannheim ein Freiheitskämpfer, der völlig zu Unrecht in Untersuchungshaft schmachtet. „Der wird behandelt wie in Guantanamo“, raunzt ein Sympathisant. Ex-NPD-Chef Günter Deckert deklamiert, „hier findet ein Schauprozess statt“. Das Urteil stehe längst fest.

Der zweite Anlauf im Prozess gegen den Holocaust-Leugner Zündel ist so bizarr wie der erste im November. Damals musste die Hauptverhandlung nach zwei Tagen abgebrochen werden, da die 6. Große Strafkammer die Pflichtverteidigerin Sylvia Stolz von ihrem Mandat entband. Die Anwältin hatte in einem Antrag auf Einstellung des Verfahrens antisemitische Hetzparolen geäußert – vermutlich eingeflüstert von Horst Mahler, der als „Assistent“ der Verteidigung auftrat. Und prompt vom Vorsitzenden Richter Ulrich Meinerzhagen in den Zuschauerraum verbannt wurde, da das Amtsgericht Berlin im April 2004 gegen Mahler ein vorläufiges Berufsverbot ausgesprochen hatte. Mahler ist auch jetzt wieder gekommen – und wird ebenfalls mit Applaus begrüßt.

Die Staatsanwaltschaft Mannheim wirft dem 66-jährigen Zündel vor, mit der öffentlichen Leugnung des von Nazi- Deutschland an den Juden begangenen, millionenfachen Mordes habe er Volksverhetzung und weitere Straftaten begangen. 14 Fälle sind aufgelistet, wahrscheinlich gibt es mehr. Zündel, der 1958 nach Kanada auswanderte, verbreitete im Internet über die „Zundelsite“ (ohne ü) und in hunderten „Germania-Rundbriefen“ jahrelang antisemitische Hasspropaganda.

Einige Zitate aus dem Anklagesatz: Der Holocaust ist nach Zündels Ansicht „förmlich aus dem Nichts durch raffinierte Propaganda geschaffen worden“. In Auschwitz seien nur „etwas über 30 000 Juden“ gestorben, „hauptsächlich wegen Krankheiten und Überbevölkerung“. Dass in dem Vernichtungslager mindestens eine Million Juden vergast wurden, hält Zündel für eine Erfindung der „Holocaust-Promotion-Lobby“, die Deutschland finanziell aussauge.

Die Kanadier wurden Zündel lange nicht los. Erst im März 2005 gelang es, ihn in die Bundesrepublik abzuschieben, wo er in Untersuchungshaft kam. Seit 1996 lag ein Haftbefehl des Amtsgerichts Mannheim vor. Die örtliche Staatsanwaltschaft ermittelt mit besonderer Hartnäckigkeit gegen antisemitische Propagandisten. Den langen Atem werden Ankläger und Richter auch im Prozess brauchen. Erst nach mehrstündigen Störversuchen mehrerer Verteidiger Zündels gelingt es Staatsanwalt Andreas Grossmann, die Anklage zu verlesen.

Zündel hat bis dahin nur persönliche Daten vorgetragen. Erst mal streiten seine Anwälte mit Befangenheitsanträgen. Drei Pflicht- und drei Wahlverteidiger sind in diesem Prozess tätig, darunter einschlägig bekannte. Sylvia Stolz ist jetzt Wahlverteidigerin, außerdem treten der rechtsextreme Szene-Anwalt Jürgen Rieger und Ludwig Bock auf. Bock, 1999 wegen Volksverhetzung verurteilt, hat einst in dem spektakulären Majdanek-Prozess in Düsseldorf eine KZ-Aufseherin verteidigt. Bock gibt sich gern süffisant. Mit Blick auf die mögliche Dauer des Zündel- Verfahrens meint er in einer Pause, der Majdanek-Prozess habe von 1975 bis 1981 gedauert.

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