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Politik: Ein Intellektueller in der Politik

Kurt Biedenkopf vermag immer zu interessieren, selten aber zu faszinieren. Dies ist auch der Eindruck, den der Journalist Peter Köpf in seinem gerade erschienen Buch "Der Querdenker Kurt Biedenkopf" wiedergibt.

Kurt Biedenkopf vermag immer zu interessieren, selten aber zu faszinieren. Dies ist auch der Eindruck, den der Journalist Peter Köpf in seinem gerade erschienen Buch "Der Querdenker Kurt Biedenkopf" wiedergibt. Es ist eine abgewogene, gut recherchierte Porträtstudie, fair im Urteil, durchweg nicht unkritisch. Köpf zeichnet den an Höhen und Tiefen nicht eben armen Lebensweg des Kurt Hans Biedenkopf nach und zeigt uns einen Mann, der es eigentlich nicht schwer zu haben brauchte, weil er aus guten Verhältnissen stammte und finanziell immer in guten Verhältnissen blieb.

Er zeigt auch einen Mann, der es sich selbst schwer gemacht hat, weil er vor allem in der Politik von einmal gefassten Grundsätzen selten wieder abrückte und lieber eine Niederlage erlitt, als klein beizugeben. Die Stationen: Sohn eines Wirtschaftsführers in der Chemie; als Jugendlicher das prägende USA-Erlebnis schon bald nach dem Krieg (Biedenkopfs Idealvorstellung einer Gesellschaft eigenständiger Individuen prägte sich damals aus), als Akademiker ein Anhänger der ordoliberalen Schule (die er theoretisch heute noch vertritt, in der Praxis hat er seine Kompromisse gemacht), als Hochschullehrer (und jüngster Rektor einer Universität) in bewegter 68er Zeit zwischen konservativer Kollegenschaft und seinem Verständnis für studentische Reformforderungen lavierend; als Kurzzeit-Manager bei Henkel "der teuerste Lehrling des Konzerns", wie Firmenchef Henkel später sagte; als Generalsekretär der CDU unter Helmut Kohl ein moderner Macher mit schnellem Abgang von der Macht wegen ungezügelter Ambitionen; sein vorläufiges Ende als Politiker nach mehreren Anläufen in Nordrhein-Westfalen Ende der 80er Jahre; und der fast phoenixhafte Aufstieg als sächsischer Ministerpräsident.

Ein Leben voller Anläufe und Abstürze. Und Biedenkopf hat auch als fast 70-Jähriger seinen Frieden mit der deutschen Politik, die nicht so reformfreudig ist, wie er sie haben möchte, und mit seiner Partei noch nicht gemacht. Kurt Biedenkopf ist zunehmend ein zorniger alter Mann der deutschen Politik. Bald wird er sich, so glauben viele und hoffen einige in Dresden, von dieser Rolle zurückziehen. Köpf hat einen Hinweis in seinem Buch dafür geliefert. Schon Anfang 1999, so wird seine Frau Ingrid zitiert (deren Einfluss immens ist), "wollten wir hier in Dresden Schluss machen". Es kam nicht so. Biedenkopf tritt nochmals an, für ein Jahr, vielleicht zwei? Schon jetzt kann das Fazit seines Politikerlebens lauten, dass er es doch geschafft hat zu zeigen, dass auch ein Intellektueller wie er, der gerne theoretisiert und grundsätzlich wird, in einem politischen Führungsamt bestehen kann.

Welchen bleibenden Einfluss der Programmatiker Biedenkopf in der CDU hinterlässt, in der er oft verloren hat und dennoch deutliche Marken setzte, wird in dem Band offen gelassen. Dass sich nun in der CDU unter den jungen Ministerpräsidenten ein Ideenwettbewerb entwickelt, das wünscht sich der sächsische Ministerpräsident. Streit sei die Quelle des Fortschritts, meint der Streiterfahrene.

"Lauter kleine Biedenköpfe", hieß es unlängst mit Blick auf die CDU-Jungriege. Sollte er in all den Jahren doch etwas bewirkt haben?Peter Köpf: Der Querdenker Kurt Biedenkopf. Eine Biografie; Campus Verlag Frankfurt/New York 1999, 280 Seiten

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