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Pegida-Demonstranten feiern am Montag, 19.10.2015 vor der Dresdner Semperoper das einjährige Bestehen ihrer "Bewegung".

© Michael Kappeler/dpa

Ein Jahr Aufmärsche in Dresden: Pegida soll kein Zweijähriges erleben

Am Montag beging Pegida das Einjährige mit einer Massendemonstration. Was hat dieses eine Jahr an Erkenntnis für unsere Demokratie gebracht? Ein Kommentar.

Ein Jahr Pegida. Das Einjährige. Ein starker Grund, sich zu überlegen, was dieses Jahr gebracht und was es an Erkenntnis erbracht hat. Eines gewiss: Das Jahr sollte alle Demokraten weitergebracht haben. Lange haben viele ängstlich zugesehen, in den Parteien wohl auch deshalb, weil sie dachten, es seien zu viele ihrer Wähler dabei. Jetzt aber ist bekannt, was Pegida ist, bald jedem muss es bekannt sein. Und jeder, da hat der Historiker Norbert Frei recht, der nun noch mitläuft, weiß, was er tut. Was umgekehrt bedeutet: In der Abgrenzung findet die eigene Haltung sich auch.

Abgrenzung bedeutet: Haltung.

Sich abzugrenzen, das heißt von politischer Seite, geltende Gesetze entschlossen anzuwenden. Heißt, diejenigen strafrechtlich zu verfolgen, die offenkundig hetzen, das Volk verhetzen, die demagogische Begriffe und Symbole verwenden, die im Jargon der Nazis gegen die Demokratie reden. So klingen Rechtsextreme, meint Innenminister Thomas de Maizière zu Recht. Und sagen manche auch, es sei schwierig, denen, die so etwas tun, beizukommen – getan werden muss es. Das gilt auch für die, die Politiker an den Galgen wünschen. Hier kann, das am Rande erwähnt, der Verfassungsschutz durchaus helfen. Hier kann er versuchen, seinen Ruf zu retten, der durch die Vorkommnisse der vergangenen Jahre auf diesem Feld Schaden gelitten hat.

Die Demonstranten gegen einen Pegida waren am 19.10.2015 in der Dresdener City fast ebenso viele wie die gleichzeitig demonstrierenden Pegida-Anhänger.
Die Demonstranten gegen einen Pegida waren am 19.10.2015 in der Dresdener City fast ebenso viele wie die gleichzeitig demonstrierenden Pegida-Anhänger.

© Jan Woitas/dpa

Sich abzugrenzen heißt außerdem, Pegida entgegenzutreten. Mit Argumenten. Mit der Widerlegung aller Behauptungen ihrer Führungsclique. Und das ist möglich! Nötig ist dazu, alle sachlichen Argumente zu sammeln und bereitzuhalten. Wenn Hass auch, frei nach George Bernard Shaw, die Antwort des Feiglings darauf ist, dass er sich eingeschüchtert fühlt – so müssen doch alle, die Pegida folgen, gestellt werden, dort, wo sie sind, in der rechten Ecke. Ihrem falschen Gefühl sachlich die Grundlage nehmen: So gibt es die Chance, die Verirrten aus dieser Ecke herauszuholen. Diejenigen, die sich besorgte Bürger nennen, die Problembürger geworden sind, müssen mit raschen, sachorientierten Lösungen konfrontiert werden. Angemessene Politik mit klarer Haltung – das ist die Chance.

Schwarz-Rot-Gold bedeutet: Demokratie, Meinungsfreiheit, Journalismus.

Und klare Haltung bezieht sich auf alle Demokraten. Dazu gehört, dass den Verirrten, zum Beispiel, niemand die Fahnen mit dem stolzen Schwarz-Rot-Gold überlassen darf. Wenn einer wie Björn Höcke von der AfD sie für sich okkupiert, ohne energischen Widerspruch, ist das schon schlimm. Noch schlimmer, wenn sie auf Pegida-Demos mit sich geführt, beansprucht werden. Diese Farben sind doch mit Demokratie verbunden und mit Presse- und Meinungsfreiheit, mit dem Hambacher Fest von 1832, einer großen Tradition des Journalisten. Es waren Journalisten, die dazu einluden, Journalisten, die dafür ins Gefängnis gingen – nicht Rassisten.

Wenn die in Dresden ihre Parolen rufen, dürfen sie das doch nur, weil es die Journalisten gibt. Und all die anderen Demokraten da draußen. Die sich dennoch ihr Land nicht nehmen lassen wollen. Und sollen. Denn das ist die gewaltige Mehrheit, und es werden immer mehr, die das dokumentieren wollen. In Erinnerung an Köln, gestern und heute, 1993 und 2015: Arsch huh und Zäng ussenander. Es wird wieder Zeit für ein Bündnis, eines gegen Rassismus, Gewalt, Menschenverachtung, stattdessen für kulturelle Vielfalt, Verständigung und Integration. Pegida soll doch kein Zweijähriges beschieden sein.

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