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Ein Jahr große Koalition: Von "blamabel" bis "Lobhudelei"

Die Opposition ist bei der Generaldebatte im Bundestag hart mit der großen Koalition ins Gericht gegangen. Während die Linke eine Umverteilung nach oben beklagt, spricht die FDP von "Schönfärberei". Kanzlerin Merkel freut sich dagegen über gute Wirtschaftsdaten.

Berlin - Ein Jahr nach dem Amtsantritt der schwarz-roten Bundesregierung sieht die große Koalition das Land in deutlich besserer Verfassung als noch vor zwölf Monaten. Die Opposition hat naturgemäß eine andere Meinung und nutzte den Jahrestag der Wahl von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag erwartungsgemäß zur Generalabrechnung mit der Regierungspolitik. Merkel selbst zeigte sich in der Debatte über ihren Haushalt 2007 zufrieden mit ihrem ersten Amtsjahr.

Merkel verwies darauf, dass die Wirtschaft so stark wachse wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr und es in diesem Jahr eine halbe Million Arbeitslose weniger gebe. Dank der Erholung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt stiegen auch die Steuereinnahmen, was eine Reduzierung der Neuverschuldung auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung ermöglicht habe. "Ich finde, das sind gute Daten, und über diese können wir uns freuen", sagte die Regierungschefin.

Merkel will soziale Marktwirtschaft "grundlegend erneuern"

Sie räumte ein, dass den Bürgern einiges zugemutet worden sei. Doch müsse noch mehr getan werden, um die soziale Marktwirtschaft "grundlegend zu erneuern". Der Sanierungskurs habe "erst sein Ziel erreicht, wenn ein ausgeglichener Haushalt erreicht worden ist". Auch könne man sich mit vier Millionen Arbeitslosen nicht zufrieden geben. Im Fokus der Reformen stehe daher die Stärkung der Wirtschaft, um zu einer Senkung der Arbeitslosigkeit zu kommen.

FDP-Chef Guido Westerwelle hielt Merkel und der Koalition vor, angesichts eines mangelnden Sparwillens und einer falschen Steuerpolitik offenbar einer "völligen Realitätsverdrängung" zu erliegen. Statt den Bürgern mehr Freiheit zu geben, würden sie mit der größten Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik belastet. Hinzu komme eine Gesundheitsreform, die einen "Weg in die Zwangskasse" mit höheren Preisen für schlechtere Leistungen bedeute. Die "Schönfärberei" und "Lobhudelei" der großen Koalition sei unangebracht.

Gysi: Umverteilung von unten nach oben

Links-Fraktionschef Gregor Gysi bescheinigte der Koalition eine Politik zu Lasten der Schwächeren. Während die Regierung trotz steigender Steuereinnahmen im nächsten Jahr Arbeitnehmer, Rentner und Arbeitslose mit 30 Milliarden Euro belaste, plane sie zugleich eine Unternehmenssteuerreform, die den großen Konzernen zugute komme. Das sei eine "direkte Umverteilung von unten nach oben".

Auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast monierte, mit der Unternehmenssteuerreform solle die Wirtschaft entlastet werden, während die Koalition "dem kleinen Mann bei der Mehrwertsteuer wieder in die Tasche" greife. Bei der Gesundheitsreform wiederum habe die Koalition eine Vorstellung mit "monatelangem Herumdoktern" geboten, bei der "die Menschen beim Zuschauen eher krank geworden" seien.

Struck stellt Erfolge heraus

SPD-Fraktionschef Peter Struck wertete dagegen die zurückliegenden zwölf Monate als "erfolgreiches Jahr für unser Land". Dabei bedeute eine große Koalition zum einen große Verantwortung, zum anderen aber auch große Kompromisse. Angesichts der unterschiedlichen Ausgangspunkte könne er daher beispielsweise die Kritik an der Gesundheitsreform "überhaupt nicht nachvollziehen".

Sein Unions-Kollege Volker Kauder (CDU) sah einen "neuen Optimismus" als Folge der Regierungsarbeit. Die Wirtschaft habe wieder Tritt gefasst und die Haushaltskonsolidierung mache Fortschritte, sagte der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende. Sein Fazit zu einem Jahr großer Koalition laute daher: "Wir bringen unser Land voran." (tso/ddp)

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