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Politik: Ein knapper Sieg

Bronislaw Komorowski ist neuer Präsident Polens - Verlierer Jaroslaw Kaczynski schöpft Hoffnung aus seiner Niederlage

„Den kleinen Champagner öffnen wir schon heute Abend, mit der großen Flasche warten wir besser bis morgen.“ Mit diesem Satz kommentierte Bronislaw Komorowski die ersten Prognosen zur Präsidentschaftswahl am Sonntag in Polen. Der Kandidat der liberalen Bürgerplattform lag da mit zwei bis sechs Prozentpunkten nur knapp vor seinem Gegenkandidaten Jaroslaw Kaczynski. Aber im Verlauf des Abends festigte sich der Vorsprung, und der nationalkonservative Oppositionschef gestand seine Niederlage ein. Ein Endergebnis wird erst an diesem Montag vorliegen.

Laut der Nachwahlbefragung von 50 000 Polen durch das Meinungsforschungsinstitut TNS Obop kann Komorowski mit 53,1 Prozent der Stimmen rechnen. Kaczynski kam demnach auf 46,9 Prozent. Eine ähnliche Umfrage des Privatfernsehens TVN ergab allerdings für Komorowski nur den knappen Vorsprung von 2,2 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag mit 52,4 Prozent trotz der Feriensaison nur leicht unter der in ersten Runde vor zwei Wochen. Damals hatten sich die Nachwahlbefragungen als ungenau erwiesen. Komorowskis Vorsprung von angeblich über zwölf Prozent war in der Nacht im Lauf der Stimmenauszählung auf knappe fünf Prozent geschmolzen.

Auf ein ähnliches Wunder hoffte man am Sonntagabend verbissen im Wahlstab Kaczynskis. Die traurigen und enttäuschten Gesichter der versammelten Rechtsnationalen sprachen hingegen Bände. Selbst als Kaczynski mit einiger Verspätung endlich bleich die Tribune erklomm, wollte außer orchestrierten „Jaroslaw“-Rufen keine Stimmung aufkommen. Kaczynski gratulierte unumwunden seinem liberalen Gegner zum Wahlsieg, vor allem aber dankte er seinen Wählern. „Polen hat sich verändert, unsere Aufgabe ist es, dieses Potenzial nun zu nutzen und bei den nächsten Wahlen zu siegen“, gab sich Kaczynski zuversichtlich. Bereits in einem Jahr stehen in Polen Parlamentswahlen an.

Der aufgeräumte Wahlsieger Komorowski sandte gleichzeitig Friedenssignale an die Anhängerschaft Kaczynskis. Das Wahlresultat bedeute fast ein Remis, gab er sich bescheiden. „Polen ist geteilt, doch das Land hat es verdient, dass wir die Einheit wieder herrichten“, sagte Komorowski. „Dafür sind große Anstrengungen nötig“, mahnte er. Doch wie einst die Gewerkschaft Solidarnosc – in der sowohl Komorowski wie Kaczynski vor 1989 aktiv waren – niemanden ausgeschlossen habe, dürfe man im heutigen, demokratischen Polen niemanden ausschließen, sagte Komorowski.

Noch am Sonntagmittag zitterten dessen Anhänger vor der Möglichkeit einer geringen Stimmbeteiligung. Politologen hatten in den Wochen vor der Stichwahl davor gewarnt, dass die urlaubsbedingte niedrige Beteiligung Kaczynski helfen würde. Denn dessen ärmere und ältere Wählerschaft kann sich Urlaubsreisen größtenteils nicht leisten.

Die Briefwahl kennt man in Polen nicht, wer nicht an seinem Hauptwohnsitz abstimmen will, musste sich rechtzeitig dort abmelden und eine Sondergenehmigung beibringen. 670 000 Polen haben diese für die Stichwahl beantragt, zehnmal mehr als bei den letzten Präsidentschaftswahlen vor fünf Jahren.

Trotz der Wahlniederlage beachtlich ist zweifellos die Leistung des bereits abgeschriebenen Politikers Jaroslaw Kaczynski, der von einer Zustimmung um die fünf Prozent in nur sechs Monaten auf fast 50 Prozent hochschnellen konnte. Der tragische Flugzeugabsturz seines Zwillingsbruders Lech bei Smolensk im April wirkte dabei als Katalysator. Doch erst die schwache Wahlkampagne seines Herausforderers Komorowski gab Kaczynski zusammen mit der Arbeit seines hervorragenden Wahlkampfteams eine reelle Siegeschance zurück. Ein wahres Bravourstück in Sachen Politmarketing war dabei die angebliche Wandlung Kaczynskis zum Konsenspolitiker sowie Deutschland- und Russlandfreund. In der Zeit bis zu den Parlamentswahlen vom Herbst 2011 bekommt Jaroslaw Kaczynski nun als Oppositionspolitiker die Chance, seinen Gesinnungswandel unter Beweis zu stellen.

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