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Politik: Ein knappes Ausreichend

Gutachten im Auftrag der Bundesregierung: Die Integrationskurse für Ausländer sind stark verbesserungsbedürftig

Berlin - Hamburg-Wilhelmsburg, München-Hasenbergl oder Berlin-Neukölln – statt Integration heißt der Alltag von Ausländern in Deutschland oftmals Leben in der Parallelgesellschaft. Mit einem Integrationsgipfel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel deshalb das Thema im Sommer zur Chefsache gemacht. Doch auch die Integrationskurse, die der Misere einem Allheilmittel gleich abhelfen sollten, haben noch keine Erfolgsgeschichte geschrieben. In einem Gutachten für das Bundesinnenministerium, das die Firma Rambøll Management erstellt hat, kommen die Kurse jetzt über ein knappes Ausreichend nicht hinaus.

In dem Gutachten, das dem Tagesspiegel im Entwurf vorliegt, heißt es: „Zentrales Ergebnis der Evaluation ist, dass die bisherige Umsetzung zwar grundsätzlich zielführend und funktionsfähig ist, jedoch in zentralen Handlungsfeldern teilweise grundlegende Verbesserungen hinsichtlich der Effizienz vorgenommen werden können.“ Das Gutachten bemängelt insbesondere eines: Im Vordergrund stehe die Organisation der Kurse, nicht der erfolgreiche Abschluss für die Teilnehmer. Entsprechend gering sei auch die Erfolgsrate. Allein die Teilnahmequote an der Abschlussprüfung liege bei nur 40 Prozent.

Als erste Maßnahme zur Verbesserung empfehlen die Gutachter nun die „Einführung von verpflichtenden Abschlusstests“. Im Anschluss an die Kurse müsse eine vereinheitlichte kostenfreie Prüfung durch unabhängige Prüfer stehen. Außerdem soll es nach Rambøll auch einen durch unabhängige Prüfer durchgeführten verpflichtenden Einstufungstest geben, um die Zusammensetzung der Kurse je nach Niveau besser zu steuern.

Die Überprüfung hat auch ergeben, dass die bisherige Festlegung auf 600 Stunden Sprachkurs für alle nicht zu halten ist. Rambøll plädiert für „flexible Stundenkontingente“ und eine Differenzierung nach den Vorkenntnissen und Lernfortschritten der Teilnehmer. Für Langsamlerner und Analphabeten oder nicht lateinisch Alphabetisierte müssten 900 Stunden angesetzt werden. Auch für Jugendliche bedürfe es, um deren Zugang zum Arbeitsmarkt zu verbessern, eine spezielle Förderung etwa in einem zusätzlichen 300-stündigen Jugendkurs.

Um den Erfolg zu verbessern, schlagen die Gutachter auch einen Ausbau der Kinderbetreuung vor, denn 40 Prozent der Abbrüche sind nach der vorliegenden Analyse der fehlenden Kinderbetreuung geschuldet.

Im Gegenzug weist Rambøll auch auf fehlende Verpflichtungs- und Sanktionsregularien hin. Spätaussiedler und Neuzuwanderer würden gut mit den Kursen erreicht. Allerdings könne die Erreichbarkeit von „Altzuwanderer/innen noch weiter gesteigert werden“, insbesondere bei Beziehern von Sozialleistungen, die durch die Behörde zum Kurs geschickt wurden. Um jene stärker in die Kurse zu bekommen, schlagen die Gutachter vor, dass erstens nicht nur die Ausländerbehörden, sondern auch die Sozialbehörden die Leute in den Kurs schicken dürfen – und dass diese Behörden dann auch über eine Nichtteilnahme direkt informiert werden. Sie könnten dann als Sanktion Leistungen kürzen.

Ohne zusätzliche Kosten lassen sich die Empfehlungen aber wohl nicht umsetzen, auch wenn das Gutachten keine Gesamtsumme nennt. Und Rambøll schlägt außerdem noch vor, die direkte Finanzierung auszubauen. Statt bisher 2,05 Euro pro Teilnehmer pro Stunde sollten die Zahlungen an die Kursträger mindestens 2,20 Euro bis drei Euro betragen. Im Gutachten werden hier drei Rechenmodelle ausgeführt. Der konkrete Betrag bliebe aber, wie bei den anderen Empfehlungen auch, eine politische Entscheidung. Der Entwurf des Gutachtens wird derzeit in einer Arbeitsgruppe des Integrationsgipfels beraten. In Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium sollen Konsequenzen aus der Evaluierung vereinbart werden.

Chefsache

Die Integrationskurse sind ein zentrales Element des lange umstrittenen und derzeit in der Überarbeitung befindlichen Zuwanderungsgesetzes und stehen im Mittelpunkt der Diskussion um die bessere Integration von Ausländern in Deutschland. Im Zuwanderungsgesetz sind 600 Stunden Sprachkurs und 30 Stunden Orientierungskurs als „Integrationskurs“ festgelegt. Bis zum 1. Juli 2007 muss das Bundesinnenministerium dem Bundestag einen Erfahrungsbericht über die Durchführung und Finanzierung der Integrationskurse vorlegen. Das Gutachten der Firma Ramboll dient als Grundlage für diesen Erfahrungsbericht. Über ihn berät derzeit eine Arbeitsgruppe des Integrationsgipfels, mit dem Bundeskanzlerin Angela Merkel im Sommer dieses Jahres das Thema Integration zur Chefsache gemacht hat. babs

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