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Politik: Ein König für Monrovia

King George – so nennen die Liberianer den früheren Fußballstar George Weah. Vielleicht wählen sie ihn jetzt zum Präsidenten

Er hat sein Haupt kahl geschoren, trägt ärmellose TShirts mit dem Aufdruck des eigenen Konterfeis, eine mächtige Designer-Uhr am Handgelenk und eine Goldkette – so stellt man sich einen Rapper vor, nicht aber den künftigen Präsidenten eines Landes. Selbst wenn der Mann auf Wahlplakaten einen dunklen Anzug mit Krawatte trägt, und es sich bei dem Staat, um den es geht, um das vom Bürgerkrieg zerstörte Liberia im Westen von Afrika handelt. Doch bei King George – so wird der frühere Fußballer George Weah in der Hauptstadt Monrovia ehrfurchtsvoll genannt – ist vieles anders. Er ist der mit Abstand berühmteste Sohn des Landes. Und der 38-Jährige ist, vielleicht noch mit Ausnahme des gestürzten Diktators Charles Taylor, der einzige Liberianer, den man auch in Europa kennt: George Weah hat eine glorreiche Fußballerkarriere hinter sich. 1995 war er Weltfußballer des Jahres, er spielte beim AC Mailand, Paris St. Germain und Chelsea London.

Wenn King George nun Hof hält, strömen die Menschen in Scharen. Zehntausende jubelten ihm mit Palmwedeln und Hosiannarufen wie einem Messias zu, als er im Sommer durch Monrovia fuhr, um seine Präsidentschaftskandidatur zu verkünden. Zwar hat er seinen Hauptwohnsitz noch in Florida. Doch er reist oft nach Liberia – und löst dort regelmäßig ein Verkehrschaos aus. Jedes Mal ist nach seiner Landung auf dem Roberts International Airport der Zufahrtsweg in die Hauptstadt für Stunden von begeisterten Anhängern verstopft. Und wenn der silbergraue Porsche an den zerschossenen Häuserfassaden Monrovias vorbeirauscht, weiß jeder, wer am Steuer sitzt. Dem Ausländer, der sich über den zähen Verkehr auf Monrovias Hauptverkehrsstraße wundert, sagt der Taxifahrer schlicht: „Weah is in town“.

Wenn an diesem Dienstag nun Liberia einen neuen Präsidenten wählt, würde Weah nur zu gern mit dem Antritt des höchsten Staatsamts eine Lebensgeschichte krönen, die 1966 in Claratown, einem Slum von Monrovia, begann und über dessen staubige Straßen zu den Topteams in Europa führte. Für Liberia wiederum bedeutet dieser Wahltag die ersten wirklichen freien und fairen Wahlen in der Geschichte. Ein entscheidender Schritt nach über vierzehn Jahren Bürgerkrieg, in dessen Verlauf bis zu 200000 Menschen starben, und der die Hälfte der etwa drei Millionen Einwohner zu Flüchtlingen machte. Viele Liberianer sprechen sogar von einer „letzten Chance“. Ihnen ist wohl bewusst, dass die Wahlen vielleicht eine letzte Möglichkeit sind, dauerhaft Frieden und damit Entwicklung, Demokratie und Wohlstand zu erreichen. 22 Kandidaten sind angetreten, viele davon enge Vertraute von Ex-Präsident Charles Taylor. Der lebt seit zwei Jahren in Nigeria im Exil, doch ist es kein Geheimnis, dass er am liebsten nach Liberia zurückkehren würde.

Warum tut sich das ein mehrfacher Dollarmillionär an, der die teuren Beine hochlegen könnte? Weahs Frau und die drei Kinder dürften wenig Verlangen verspüren, aus den USA in ein Land zurückzukehren, in dem sich Afrika von seiner dunkelsten Seite gezeigt hat: ein langer Bürgerkrieg, Hunger, Dreck und unvorstellbare Grausamkeiten. Ein Land, in dem sich Kindersoldaten gegenseitig niedergemetzelt haben, nachdem die Warlords viele von ihnen ihren Familien entrissen und unter Drogen gesetzt hatten. Ein Land, in dem die meisten Häuser noch immer dunkelgraue, feuchte Bauruinen ohne Fensterrahmen und Türen sind, wo es seit 1990 kein Stromnetz und kaum fließend Wasser gibt. Wo Müllberge in stinkenden Straßengräben brennen und fast alle Strommasten als Feuerholz verheizt wurden.

Weah selbst sagt, sein politisches Engagement sei zum einen der Wunsch Gottes, zum anderen der seines Helden Nelson Mandela, dem früheren Präsidenten Südafrikas, der ihn ausdrücklich dazu ermutigt habe. Doch das Programm seines vor zwei Jahren gegründeten „Kongresses für einen demokratischen Wandel“ klingt eher wie eine lange Wunschliste. Weah will das Land einen, Schul- und Gesundheitswesen neu aufbauen, die zerfallenen Straßen reparieren, Korruption bekämpfen und die mehr als 100000 früheren Kämpfer, darunter zahllose Kindersoldaten, wieder in die Gesellschaft integrieren. Eine herkulische Aufgabe, aber für Weah offenbar ganz einfach: „Ich würde mit der internationalen Gemeinschaft einen Vertrag schließen und Transparenz garantieren. Die Menschen kriegen eine Regierung, die sich wirklich um sie kümmert“, verspricht er.

Seine Chancen, Staatschef zu werden, stehen dabei gar nicht schlecht. Beobachter sehen ihn als einen der drei aussichtsreichsten Kandidaten. Neben einem hohen Bekanntheitsgrad besitzt Weah genug Geld, und mit Fernsehstation sowie zwei Radiosendern auch die nötige Propagandamaschinerie. Die Versuche seiner Gegner, ihn als Hohlkopf abzutun, weil er erst die Schule und dann eine Ausbildung als Telefonist abbrach, waren dagegen wenig erfolgreich. Weah hat sogar versucht, das Manko zu seinen Gunsten zu wenden: Die „Buchleser“, ein Codewort für die gebildete Elite, hätten in ihrer Machtgier nur die Kinder des Landes mit Crack und Waffen voll gepumpt. „Ich brauche keinen akademischen Grad, um zu sehen, wie kaputt Liberia ist und dass seine Menschen weder Strom noch Wasser haben“, kontert er selbstbewusst. Seine Anhänger schätzen sowieso andere Qualitäten an ihm. „Er hat allen gezeigt, zu was Liberianer fähig sind. Er ist der beste Fußballer der Welt. Jetzt wird er alles für seine Brüder und Schwestern tun,“ sagt ein junger Mann auf einer Wahlkampfveranstaltung. Und ein anderer betont: „Er ist jung, so wie wir. Er ist einer von uns. Er versteht uns.“ Die anderen Politiker dagegen hätten „nie etwas für die normalen Menschen getan“.

In der Tat gehört Weah zu den wenigen reichen Liberianern, die ihre Heimat nie vergessen haben. Jahrelang finanzierte er nicht nur Trikots und Spesenrechnungen des Nationalteams, sondern schickte auch dann noch Spendengelder, als Schergen Taylors ihm vor neun Jahren sein Haus in Monrovia anzündeten. Zuvor hatte Weah öffentlich gefordert, Liberia wegen der Verbrechen Taylors zum UN-Protektorat zu erklären.

Er selbst spricht so, als sei er schon gewählt: „Ich werde höchstens zwei Amtszeiten absolvieren, weil ich kein Diktator bin. Das reicht, um Liberias Probleme anzugehen und zu lösen“. Es sind solche Aussagen, die bisweilen Zweifel an seiner Eignung für das Präsidentenamt wecken. Auch wenn Liberia heute unter der Kontrolle von mehr als 15000 Blauhelmen steht, und die vielen Kämpfer weitgehend entwaffnet sind, hat sich das Land noch lange nicht vom Irrsinn der 90er erholt. Vielleicht war diese Naivität der Grund, weshalb der Menschenrechtsanwalt Kofi Woods die Offerte ablehnte, Weahs Vizepräsident zu werden. „Wir brauchen jemanden, der das tiefe menschliche Leid und die immensen Probleme des Landes versteht und Führungsqualitäten hat“, sagt Woods. „Denn wer auch immer Präsident wird, hat keine Zeit zum Lernen.“

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