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Barack Obama trifft die Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi in Birma.

© dpa

Ein Land öffnet sich: Obama auf Staatsbesuch in Birma

Birma gilt als äußerst korrupt und die Menschen sind bettelarm. Doch im Land vollzieht sich ein Wandel, eine langsame Demokratisierung hat eingesetzt. Am Montag ist Barack Obama zu Besuch - er ist der erste Präsident der USA, der nach Birma reist.

In einem „M.Mini“, einer chinesischen Version des Trabi, trifft U Pyi Aung Shwe bei seinem bevorzugten Teeausschank ein. Mit dem Dutzend Rattanstühlen unter einigen Sonnenschirmen, einer zweirädrigen Anrichte, auf der eine junge Frau Teekanne und Tassen bereithält, ist dies eine der luxuriöseren Teestuben in Rangun.

Hier liest er jeden Tag die neuesten Nachrichten im „Messenger“, dessen Titelseite – wie beinahe jeden Tag – ein ganzseitiges Photo der Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi schmückt. Seit Birmas regierende Militärs vorsichtig aus ihrer selbstgewählten Isolation nach Westen lugen, haben die Zeitungsverkäufer des Landes tatsächlich Arbeit. Mit bunten und häufig reißerischen Aufmachungen werben neuerdings Dutzende von Tages- und Wochenzeitungen um Leser.

Vorher gab es kaum mehr als das schon 1914 unter britischer Kolonialherrschaft gegründete und bis heute regierungsamtliche „The New Light of Myanmar“. Mit atemberaubender Geschwindigkeit haben die USA die derzeitige Öffnung Birmas, dass die Militärjunta 1989 in Myanmar umbenannt hatte, genutzt, um den Menschen den Segen von Hybridreis zu bringen, wie Landwirtschaftsminister U Myint Hlaing offiziell verlauten ließ.

Und von dem Elektrokonzern Samsung könnten vielleicht sogar deutsche Exportwelt- oder Vizeweltmeister noch lernen. Da noch nicht alle Sanktionen aufgehoben sind, bieten die Südkoreaner die Klimaanlagen, Kühlschränke und LCD-Fernseher in Rangun als „medizinische Geräte“ an.

Immerhin, Rodenstock hat Birma auch schon erreicht. Gleich neben der mehr als 2000 Jahre alten Sule-Pagode, in deren Hauptstupa ein Haar Buddhas aufbewahrt wird, werden die Brillen des Münchner Unternehmens verkauft.

Mehr als 40 Jahre lang unterwarfen Regierung und Armee ihre Bürger einer Diktatur, litt das Volk unter einer unglaublichen Misswirtschaft. In den Straßen Ranguns tummelten sich Geheimpolizisten und ihre freien Mitarbeiter – bewaffnete Schläger, die „Herren der Macht“.

Die Wirtschaft wird bis heute dominiert von korrupten Offizieren, die kaum wissen was modernes Management ist, deren Töchter und Söhne jedoch ausgestattet sind mit harten Devisen, um jedem Modetrend der westlichen Welt folgen und ihre Partys in den teuersten Hotels des Landes feiern zu können. Nach Angaben von Transparency International ist Birma nach Somalia das korrupteste Land der Welt. Birmas Pro-Kopf-Einkommen ist nicht einmal halb so hoch wie jenes des ebenfalls bettelarmen Kambodscha.

Nach den Wahlen 2010 leitete die Regierung überraschend Reformen ein, die eine langsame Demokratisierung des Landes erlauben und den privaten Wirtschaftssektor stärken sollten. Eine Nationale Menschenrechtskommission wurde eingerichtet, mehr als 300 politische Gefangene wurden aus der Haft entlassen, die Pressezensur wurde gelockert, ein neues Arbeitsrecht erlaubte die Bildung von Gewerkschaften. Der Hausarrest gegen die Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi wurde aufgehoben. Ihre Partei, die Nationale Liga für Demokratie (NLD), durfte Wahlkampf führen, an Wahlen teilnehmen und tatsächlich auch gewinnen. Bei Nachwahlen am 1. April 2012 errang die NLD 43 der 45 zur Wahl stehenden Abgeordnetensitze.

Barack Obama reist in das asiatische Land

Bunte Vielfalt in Rangun. Noch immer sind die Menschen in Birma bettelarm. Doch die Reformen brachten Birma ungeahnte Freiheiten – auch der Presse. Nahezu täglich finden sich auf den Titelseiten heute Bilder von Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, wie hier bei der Zeitschrift oben rechts.
Bunte Vielfalt in Rangun. Noch immer sind die Menschen in Birma bettelarm. Doch die Reformen brachten Birma ungeahnte Freiheiten – auch der Presse. Nahezu täglich finden sich auf den Titelseiten heute Bilder von Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, wie hier bei der Zeitschrift oben rechts.

© Armin Wertz

Die demokratische Öffnung unter Präsident Thein Sein erfährt am heutigen Montag eine besondere Anerkennung. Als erster US-Präsident reist Barack Obama in das asiatische Land. Wenige Tage vor seiner Ankunft kündigte Birma die Freilassung von weiteren 452 Gefangenen an. Zuvor hatte Washington weitere Sanktionen gelockert. Birma kann nun leichter in die USA exportieren. Mit Beginn der Demokratisierung und sofort nach Hillary Clintons Besuch im Dezember 2011 – als erste US-Außenministerin seit mehr als 50 Jahren – fielen investitionsfreudige Amerikaner, Inder und Japaner in Scharen in dem mineralreichen Land am Irrawaddy ein, um den bis dahin dominierenden Auslandsinvestoren, den Chinesen, Konkurrenz zu machen.

In nur einem Jahr verdoppelte sich der Autoverkehr und verdreifachten sich die Übernachtungspreise in den Hotels. Bescheidener geht es auf dem Buchmarkt zu. Früher hätten sie ganze Schulbücher auf Matrizen geschrieben, die sie dann durch die Kopierpresse genudelt hätten, erzählt Tun Htein, der sich als Verleger beschreibt. Später ersetzten Fotokopiergeräte die alten Matrizen. So machte das Embargo aus den Menschen wahre Experten in der Kunst des Raubdrucks und des Raubkopierens.

Zwar hält sich das Angebot im Bagan Buchladen in der 37. Straße noch in Grenzen. Dies ist aber weniger der Zensur geschuldet als dem jahrelangen Embargo. Die meisten Bücher sind fest gebundene, gut geleimte Fotokopien zwischen zwei harten Buchdeckeln, sozusagen Hardcover-Raubdrucke. Doch zwischen den fotokopierten Standardwerken über Birma wie G.E. Harveys „History of Burma“ oder Andrew Marshall’s „The Trouser People“ finden sich sogar ein paar Originale, allerdings nur antiquarisch wie „Wörterbuch: Französisch-Latein“ oder George Orwells „Burmese Days“ – auf Deutsch.

Und während die TV-Programme noch von importierten Serienschnulzen aus Südkorea oder Thailand dominiert werden, bieten hunderte fliegender Händler neben US-Actionstreifen und Kung-Fu-Filmen aus Hongkong auch die neuesten Hollywoodproduktionen mit George Clooney oder Jennifer Lopez an – natürlich als Raubkopien.

Im dunklen Durchgang zwischen zwei prächtigen Kolonialbauten, die seit dem Abzug der britischen Kolonialtruppen 1948 keine Farbe mehr gesehen haben, treffen sich neuerdings sogar ein paar Gestalten, die man früher nie gesehen hätte: Punks mit gewagtem, lila-grünem Haarschnitt und Piercings.

Armin Wertz

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