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Politik: Ein neuer Anstoß

DIE BUNDESLIGA STARTET

Von Stefan Hermanns

Was ist eigentlich mit all den schwarz-rot-goldenen Fahnen passiert, die Ende Juni auf Deutschlands Straßen geweht haben? Ach, die Fußball-Weltmeisterschaft ist lange her. Vierzig Tage schon. Und was ist geblieben von diesem Turnier, das in Deutschland die Massen in Wallung versetzt hat? Was bleibt der Bundesliga von der WM?

Vor vier Jahren noch, bei der WM in Frankreich, hat das frühe Ausscheiden der Nationalmannschaft eine landesweite Debatte über die Modernität des deutschen Fußballs ausgelöst. Jeder Viertklässler hätte damals erklären können, warum es für den Libero keine Zukunft mehr gebe und warum der Bundestrainer in der Abwehr unbedingt auf eine Viererkette umstellen müsse. Und diesmal? Die Theoretiker haben alle WM-Spiele untersucht, seziert, nach Innovativem durchforstet – und festgestellt, dass der Weltmeister Brasilien bei Eckbällen des Gegners darauf verzichtet hat, zur Sicherheit einen Spieler an den kurzen Pfosten zu stellen. Na, immerhin eine Erkenntnis.

Wenn heute die 40. Bundesligasaison beginnt, wirkt die Weltmeisterschaft nur noch wie ein Intermezzo. Es gibt keinen Fußball vor der WM und einen danach. Es gibt allenfalls die Kirch-Krise vor der WM und die Kirch-Krise danach. Dazwischen lagen vier Wochen, in denen nicht jeden Tag darüber diskutiert wurde, ob der deutsche Fußball in seiner Existenz bedroht sei, weil die Vereine nicht mehr wissen, wie sie die Millionengehälter ihrer Angestellten bezahlen sollen. Diese Diskussion wirkt oft überzogen. Bundesligaklubs müssen zwar sparen – manche mit aller Macht –, aber das muss überhaupt kein Nachteil sein.

Zunächst halten es viele Fans für tröstlich, dass es den verwöhnten Fußballprofis jetzt ähnlich geht wie ganz normalen Menschen, die in der wirtschaftlichen Krise um ihre Arbeitsplätze bangen – sofern sie noch welche haben. Noch nie hat es so viele Fußballprofis ohne Job gegeben. Es ist eine Reservearmee an arbeitslosen Fußballern entstanden. Und damit sie überhaupt wieder die Chance auf eine Anstellung haben, werden sie, den Gesetzen des Kapitalismus folgend, ihre Arbeitskraft weit billiger anbieten müssen. Zu tragbaren Preisen eben.

Dies alles hat bereits zu einer spürbaren Beruhigung einer überhitzten Branche geführt, deren Wachstumsraten in den besten Zeiten mit denen des Neuen Marktes mithalten konnten. Im Vergleich zu vielen Start-up-Unternehmen aber stehen die deutschen Fußballklubs noch richtig gut da. Auch im internationalen Maßstab war die Situation für die Bundesligavereine selten günstiger als im Moment. Lange galten sie als die braven Angestellten, die ihr Geld auf das Sparkonto mit gesetzlicher Kündigungsfrist einzahlen und neidisch auf die neuen Reichen aus Mailand, Manchester und Madrid blicken, die jeden Tag wundersame Wachstumssprünge ihrer Aktienkurse feierten. Damals haben die deutschen Vereinsmanager gejammert: Wir müssen international konkurrenzfähig bleiben! Jetzt aber ist mit dem AC Florenz der erste Klub aus der italienischen Milliardenliga pleite, während Hertha BSC mit ein wenig Geduld sogar den aktuellen brasilianischen Weltmeister Luizao verpflichten konnte.

Weil die finanzielle Krise den ganzen Kontinent erfasst hat, profitiert die Bundesliga sogar von der misslichen Situation. Zum ersten Mal seit 25 Jahren besteht die berechtigte Aussicht, dass wieder internationale Superstars wie früher Allan Simonsen oder Kevin Keegan in die Bundesliga wechseln und nicht nur mittelmäßige Balltreter aus osteuropäischen Billiglohnländern. Die deutschen Nationalspieler Miroslav Klose, Oliver Kahn, Bernd Schneider und Christoph Metzelder sind trotz Angeboten aus dem Ausland lieber in Deutschland geblieben. Das liegt eher weniger daran, dass die Lebensqualität in Dortmund und Kaiserslautern besser wäre als in Rom oder Barcelona. Aber inzwischen hat es sich in der Welt des Fußballs herumgesprochen, dass deutsche Vereine pünktlich die Gehälter zahlen.

Man mag Seriosität für langweilig halten oder die deutschen Tugenden verspotten. Die Nationalmannschaft hat es damit immerhin bis ins WM-Finale gebracht. Und auch die Bundesliga könnte es in dieser Saison damit weit bringen.

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