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Politik: Ein neuer Krieg?

Der Waffenstillstand zwischen Sri Lankas Regierung und Tamilen droht zu brechen. Die Naturkatastrophe brachte keine Annäherung

Berlin - Es ist ein verlorenes Jahr. Als vor zwölf Monaten der Tsunami die Küste Sri Lankas überspült hatte, war gerade wegen des riesigen Leids auch Hoffnung aufgekeimt, dass diese nationale Katastrophe die Bürgerkriegsparteien zu gemeinsamem Handeln zwingen würde. Angesichts der Not, so der Gedanke, könnte der Konflikt zwischen singhalesisch dominierter Regierung und den Tamilenrebellen im Norden in den Hintergrund treten, die Flut würde so die verfeindeten Kontrahenten zu einer politischen Annäherung bringen. Doch was für Indonesiens Krisenprovinz Aceh der Fall war, gilt nicht für Sri Lanka.

Im Gegenteil: Im Sommer zerbrach die Regierung in Colombo am Streit über die von der internationalen Gemeinschaft geforderte „Post-Tsunami Operation Mangement Structure“ (P-Toms), mit der eine Zusammenarbeit von Regierung und Rebellen beim Verteilen der Hilfe gewährleistet sein sollte. Bei der Präsidentschaftswahl im November gewann mit Mahinda Rajapakse ein Hardliner, der ein härteres Vorgehen gegen die Rebellen gefordert hatte sowie eine Revision des Waffenstillstandsabkommens. Dass sein Sieg auf den Wahlboykott im Tamilengebiet zurückzuführen ist, ändert nichts am Ergebnis. „Im Prinzip“, sagt Christian Wagner von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, „ist die Situation dieselbe wie vor zwölf Monaten. Mit dem Unterschied, dass jetzt auch noch ums Geld gestritten wird.“

Vor einem Jahr befürchteten nicht nur notorische Pessimisten, dass der Bürgerkrieg wieder ausbrechen würde. Seit 1983 kämpft die Rebellengruppe „Liberation Tigers of Tsamil Eelam“ (LTTE) gegen die Zentralregierung in Colombo und für einen unabhängigen Staat. Weit mehr als 60 000 Menschen sind in dem Konflikt getötet worden. Zwar war im Februar 2002 unter internationaler Vermittlung ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen worden. Doch bereits im April 2003 war dieser Prozess schwer ins Stocken geraten, so dass im vergangenen Dezember ein Bruch des Abkommens kurz bevorzustehen schien.

Nach dem Tsunami hat sich die Situation nicht verbessert. Prominentestes Opfer der Krise war im August der damalige Außenminister Lakshman Kadirgamar. Dessen Mörder sind nach wie vor nicht gefasst, doch niemand zweifelt daran, dass die LTTE hinter dem Anschlag steckt. In den vergangenen Woche nun kam es mit zu den schwerwiegendsten Verletzungen des Waffenstillstandsabkommens seit 2002: Am Freitag starben im Norden der Insel bei einem Anschlag mindestens zwölf Soldaten. Bereits am Donnerstag hatte Colombo den Rebellen vorgeworfen, drei Marineboote angegriffen und drei Soldaten entführt zu haben.

Dass die Aussicht auf internationale Hilfe in dreistelliger Millionenhöhe dem Friedensprozess keinen neuen Schwung verliehen hat, dürfte auch daran liegen, dass beide Parteien von Anfang an versuchten, die Hilfe zu instrumentalisieren. So bemühte sich Colombo direkt nach der Katastrophe nur halbherzig, die Hilfe in die besonders schwer getroffenen Tamilengebiete zu schicken. Die LTTE ihrerseits warf der Regierung von Anfang an vor, ihre Gebiete zu vernachlässigen und versuchte, sich als die eigentlichen Helfer zu präsentieren.

Berlin hatte für November geplante Gespräche mit Colombo bereits ausgesetzt; das Entwicklungsministerium, ebenso wie EU und andere Geberländer, macht jetzt nochmal klar, dass die multilaterale Hilfe nur weiterlaufen kann, wenn der Friedensprozess weitergeht. Ob das die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch bringt? Zwar hat der neue Präsident Rajapakse – anders als angekündigt – die Vermittlungsversuche Seitens der Norweger bisher nicht beendet. Andererseits hat Tamilenführer Prabhakaran angekündigt, im kommenden Jahr den Kampf für Selbstbestimmung zu verstärken, sollte die Regierung nicht auf die Forderungen der Tamilen eingehen. Dabei haben die Rebellen einen klaren Vorteil: Je mehr Zeit ohne politische Lösung verstreicht, umso mehr Fakten können die Tamilen schaffen. Indem sie Schritt für Schritt weiter eigene Verwaltung und quasi-staatliche Strukturen aufbauen.

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