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Politik: Ein neuer Vier-Jahres-Plan

Rot-Rot macht in Schwerin weiter – mit einem dicken Denkzettel für die PDS

Von Andreas Frost

und Matthias Meisner

Gegen den Bundestrend hat die SPD in Mecklenburg-Vorpommern einen deutlichen Wahlsieg eingefahren. Der verhalten strahlende Ministerpräsident Harald Ringstorff sieht in der „soliden Politik“ der vergangenen vier Koalitionsjahre mit der PDS die Basis für den Erfolg der SPD bei der Landtagswahl. Die sei „unspektakulär, aber erfolgreich" gewesen, so Ringstorff.

Für diesen Weg war er vor vier Jahren noch geprügelt worden. Trotz leichter Gewinne konnte die CDU mit Spitzenkandidat Eckhardt Rehberg den Sozialdemokraten nicht das Wasser reichen. Rehberg schob die Niederlage dem Elbhochwasser, dem „Schüren von Kriegsängsten“ durch die SPD und den Anti-Stoiber-Kampagnen in die Schuhe. Bundesthemen hätten Landesthemen überdeckt. Die PDS-Spitzenkandidatin Angelika Gramkow gestand unumwunden ihre Niederlage ein. Weil es nicht allein am Abgang von Gregor Gysi gelegen habe, sei diese „um so bitterer". Die SPD habe es offenbar geschafft, die Erfolge der Koalition allein für sich buchen zu können. Wenn die PDS nicht mehr im Bundestag vertreten sei, laste auf der Landes-Partei eine umso höhere Verantwortung.

„Mecklenburg-Vorpommern hatte noch nie eine so stabile Regierung wie heute", hatte der Sozialdemokrat schon vor der Wahl erklärt. Und ohnehin glaubt er, dass sein Arbeitsminister Helmut Holter wie auch andere Pragmatiker der SED-Nachfolgepartei in Wahrheit längst sozialdemokratische Politiker wären - nur eben halt in der PDS. Einen Riss in der Koalition mag Ringstorff auch nach der Schließung der Wahllokale nicht erkennen – und sagt in gebotener Vorsicht voraus, dass Sondierungsgespräche mit der Union „wahrscheinlich überflüssig“ werden. Noch wenige Tage vor der Wahl hatte das einzige Rededuell zwischen Ringstorff und Rehberg gezeigt, wie unversöhnlich Sozial- und Christdemokraten im Nordosten heute sind. Bis 1998 hatten die beiden Parteien in einer großen Koalition mehr schlecht als recht gemeinsam regiert. Und obwohl Ringstorff in der Wirtschaftspolitik keine großen Differenzen mit den Zielen der Union sieht, lieferten sich die Spitzenkandidaten vor laufenden Kameras doch heftige, teils ins persönliche gehende, Auseinandersetzungen.

Wenn sich SPD und PDS in den nächsten Tagen erwartungsgemäß rasch auf einen neuen Koalitionsvertrag verständigen, wird für die Genossen aus beiden Parteien noch viel zu tun bleiben. Das Ziel, die Arbeitslosigkeit im Verlauf der zu Ende gehenden Legislaturperiode um 20 000 zu drücken, sei nicht geglückt, musste der SPD-Ministerpräsident zugeben. Und auch die Spitzenpolitiker der Sozialisten gestanden das vor ihren Mitgliedern klipp und klar ein - obwohl manche von denen ohnehin skeptisch waren und sind, was die Beteiligung an einer Landesregierung - manche soziale Grausamkeit inclusive - angeht. Der Stimmeneinbruch der PDS schien dafür eine Quittung zu sein.

Der Job-Motor derweil stottert weiter. Das Problem, dass etwa das Ballungszentrum Hamburg eine große Anziehungskraft ausübt, und Abwanderung wie auch Arbeitslosigkeit verstärkt, ist nicht gelöst. Richten sollen es aus Sicht der SPD neue Arbeitsplätze im industriellen Bereich und bei den Dienstleistungen, vor allem im Tourismus. Der gelernte Chemiker Ringstorff erwartet neue Impulse auf dem Arbeitsmarkt auch durch neue Technologien in Energie und Kommunikation.

Die PDS setzt auf eine Standortoffensive zu Gunsten strukturschwacher Gebiete wie Ostmecklenburg und Vorpommern, spricht auch von einer Existenzgründeroffensive. Holter, der trotz Affärenserie im Amt bleiben will, geriert sich, manchmal unter Kopfschütteln der eigenen Klientel, als Anwalt der Wirtschaft. Und anders als waschechte Marxisten referiert er dann schon mal, dass das Unternehmertum nur dann Arbeitsplätze schaffen könne, wenn es auch Gewinne erwirtschafte.

So will Rot-Rot in Schwerin auch mit weitgehend unverändertem Personaltableau weitermachen. Möglicherweise, hieß es, werden Sozialministerin Martina Bunge (PDS) und Bildungsminister Peter Kauffold (SPD) der neuen Regierung nicht mehr angehören. Im Gespräch ist auch, dass Ringstorff das Wirtschafts- und das Arbeitsministerium zusammenlegt. Und Ringstorff selbst? An seiner Wiederwahl hat es vor der Wahl keinen Zweifel gegeben. Ziemlich geräuschlos hatte der Sozialdemokrat mit seinen Mannen Rot-Rot vor vier Jahren zur Macht verholfen. Im Schatten der Debatten um die rot-grüne Regierungsbildung im Bund hielt sich damals der Verdruss der SPD-Bundesspitze in Grenzen. Auch die Renegatenzirkel der Landespartei, die einst vor der Kooperation mit der PDS warnten, haben sich aufgelöst. Ohnehin waren sie nie so gut aufgestellt, wie etwa die PDS-Kritiker unter den Sozialdemokraten in Thüringen oder Sachsen.

Rehberg derweil muss Geduld haben. Im Rücken hat er eine erneuerte und verjüngte Fraktion, und es wäre eine kleine Sensation, wenn er sich nicht erneut zum Fraktionschef wählen ließe. Seine tief sitzende Feindschaft zu Ringstorff aber macht eine große Koalition auf weitere vier Jahre unmöglich. Doch wer sagt, dass Ringstorff die SPD in vier Jahren nochmal ins Rennen führt?

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