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Politik: Ein Parlament für den Präsidenten

Kreml-treue Parteien haben die Zweidrittelmehrheit in der Duma – das könnte Putin die dritte Amtszeit ermöglichen

RUSSLAND NACH DER WAHL

Der neuen Duma fehlt die demokratische Opposition. Die beiden demokratischen Parteien scheiterten an der Fünfprozenthürde. Aber auch sonst ist keine Opposition in Sicht. Denn das Programm der Kommunisten deckt sich oft mit dem des Kremls und seiner Juniorpartner: Staatskapitalismus, Restauration des Imperiums und konsequente Durchsetzung nationaler Interessen in der Außenpolitik.

Der Kremlpartei „Einiges Russland“ fehlen mit 222 von insgesamt 450 Sitzen nur vier Mandate zur absoluten Mehrheit. Die ist den „Einheitsrussen“ jedoch ohnehin sicher, weil der Überraschungssieger, der linksnationale Block „Heimat“, 39 Sitze beanspruchen kann. Weitere 38 gehen an Putins eiserne Kampfreserve: Wladimir Schirinowskijs nationale „Liberaldemokraten“, die, wenn es knapp wird, so abstimmen, wie der Kreml es braucht. Bei strategischen Abstimmungen ist dem Kreml daher sogar die ursprünglich angepeilte Zweidrittelmehrheit sicher, mit der die Verfassung umgeschrieben werden kann.

Unklar ist, ob der Kreml die Zweidrittelmehrheit nutzen wird, um Putin auch eine dritte Amtszeit zu ermöglichen. Nach der Verfassung kann Putin maximal bis 2008 im Amt bleiben. Wenn er tatsächlich eine dritte Amtszeit anstrebt, müsste die Verfassung geändert werden. Dafür ist mit den neuen Mehrheitsverhältnissen in der Duma jetzt der Weg frei. Ein möglicher Nachfolger ist derzeit bei den farblosen „Einheitsrussen“ jedenfalls nicht in Sicht.

Russland sei auf dem Weg zum Anderthalb-Parteiensystem, sagte einer der prominentesten russischen Politologen, Andranik Migranjan. Das Regierungslager ein Koloss, die drei kleineren Parteien vollauf mit interner Wadenbeißerei und Loyalitätsbekundungen an den großen Bruder befasst – und daher chancenlos, diesen je zu beerben. Putin sprach nach dem für ihn triumphalen Ergebnis von einem „weiteren Schritt zur Festigung der Demokratie“. Für ihn sei absolut klar, dass das Ergebnis die wirklichen Präferenzen der Bevölkerung widerspiegele.

Die staatstreuen Medien feierten das Ergebnis indes als „Konsolidierung des Zentrums und Beschneidung von Randgruppen“. Doch Anatolij Tschubais, der Vordenker der neoliberalen „Union der Rechten Kräfte“ (SPS) , kritisierte das Wahlergebnis als „Machtübernahme einer rot-braunen Koalition“. Diese bedeute den völligen Paradigmenwechsel in der Politik und werde „dramatische Konsequenzen“ haben.

Der Politische Rat der SPS, so deren Kovorsitzender Boris Nemzow, werde in der kommenden Woche Schlussfolgerungen aus der verheerenden Niederlage der Demokraten ziehen. Hauptaufgabe, so Nemzow weiter, müsse für die Union in der kommenden Legislaturperiode sein, sich mit „Jabloko“ über eine Fusion oder ein gemeinsames Wahlbündnis zu einigen, das auch die Mehrheit der Wähler beider Gruppen verlangt. Jabloko-Chef Grigorij Jawlinskij erteilte diesen Plänen jedoch bereits eine Abfuhr.

Mehrheiten wie in der neuen Duma, so erdrückend, dass sie selbst an bereits gefestigten Demokratien rütteln würden, könnten Putin nicht nur das Mandat, sondern den Befehl zur Restauration des alten Zwangssystems erteilen. Doch der Herr des Kremls ist klug genug zu wissen, dass ein Mindestmaß an bürgerlichen Grundrechten unerlässlich für wirtschaftlichen Aufschwung, bescheidenen Wohlstand der Massen und damit für Stabilität ist. Das aber deckt sich nicht zwingend mit den Interessen der neuen Mehrheiten in der Duma. Schließlich käme eine instabile Situation ihnen sogar entgegen, wenn es um Zugeständnisse von Präsident Putin geht.

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