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Politik: Ein Reförmchen, das nichts kostet?

Kommende Woche sollen die Eckpunkte vorliegen – aber die Koalition ist noch uneins

Es sollte der große Wurf werden, doch inzwischen erwarten viele nur noch ein Reförmchen. Zu uneinig scheint die Koalition bei der Frage, wie sich die Pflegeversicherung weiterentwickeln und zukunftsfest machen lässt. Dazu passt, dass Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sein Zeitfenster zur Vorlage von Reformeckpunkten bis zum letzten Tag auszureizen gedenkt. Im Sommer werde man konkret, hatte das Versprechen gelautet. Dann erinnerte das Ministerium daran, dass der Sommer kalendarisch bis zum 23. September dauert. Und zuguter Letzt hieß es, dass die CSU, die kurz vor Toresschluss noch mit einem eigenen Reformkonzept vorgeprescht war, womöglich noch etwas mehr Zeit benötige.

Dabei hatte die Koalition davon mehr als genug. Seit gut fünf Jahren bereits steht die Runderneuerung der nun fast 16 Jahre alten Pflegeversicherung auf der politischen Agenda. Und die entscheidende Vorarbeit wurde schon unter Ulla Schmidt (SPD) erledigt. Im Mai 2009 beschrieb eine Fachkommission unter Leitung des früheren Diakoniepräsidenten Jürgen Gohde aufs Genaueste, was zu tun ist und sogar, wie viel es kosten würde. Kernpunkt des Ganzen: eine Neudefinition von Pflegebedürftigkeit. Wer welche Unterstützung erhält, soll künftig nicht mehr nur vom körperlichen Zustand abhängig gemacht werden. Hintergrund ist die steigende Zahl Demenzerkrankter, die trotz eines Betreuungsbedarfs rund um die Uhr bislang oft leer ausgingen. Statt der gewohnten drei Pflegestufen schlug der Beirat fünf differenziertere Bedarfsgrade vor. Kosten der Umstellung: je nach Variante zwischen 380 Millionen und 3,1 Milliarden Euro im Jahr.

Bahrs Vorgänger Philipp Rösler hatte die Latte dann noch mal höher gelegt. Er rief das „Jahr der Pflege“ aus und machte auch pflegenden Angehörigen Hoffnungen – auf mehr Pflegegeld, Kuraufenthalte, höhere Renten. Wie das alles finanziell zu stemmen wäre, ließ er offen. Mit der Folge, dass ihm die eigene Fraktion sogleich die Grenzen aufzeigte. Höhere Beiträge kämen nicht in Frage, stellten die FDP-Freunde, assistiert von den Arbeitgebern, klar. Die CSU schloss sich an. Nur die Sozialpolitiker der CDU argumentierten realistischer: Eine kostenneutrale Reform könne es nicht geben. Wer wirklich Verbesserungen wolle, müsse auch die Beiträge anheben.

Ein Qualitätsschub, der nichts kosten darf? Bahr steckt in der Klemme. Möglicherweise versucht er nun, die versprochenen Verbesserungen für Verwirrte und ambulant Versorgte bei den Heimen herauszusparen. Die CSU macht es sich leichter: Sie will die Betreuung Demenzkranker aus Steuern finanzieren.

Dann ist da noch die Sache mit der Kapitaldeckung. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, das Umlageverfahren durch Privatvorsorge zu ergänzen, „verpflichtend, individualisiert und generationengerecht“. Die CSU ist davon schnell wieder abgerückt, und auch in der CDU sind sie nicht glücklich mit dem Vorhaben. Ein zusätzlicher Kapitalstock für geburtenstarke Jahrgänge sei sinnvoll, sagt Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) – aber doch bitte innerhalb der bestehenden Pflegeversicherung und unter Beteiligung der Arbeitgeber. Der FDP gefällt dieser Schwenk gar nicht. Ausgang: ungewiss.

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