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Politik: „Ein Sieg, aber auch kein Sieg“

Herr Glees, wie schätzen Sie Tony Blairs Wahlsieg ein? Das ist ein historischer Sieg.

Herr Glees, wie schätzen Sie Tony Blairs Wahlsieg ein?

Das ist ein historischer Sieg. Das gilt nicht nur, weil es sich um den dritten Erfolg von „New Labour“ handelt. Blairs Mehrheit im Unterhaus ist mit Blick auf andere Wahlergebnisse in der Nachkriegsgeschichte immer noch riesig. Das Seltsame aber ist: Es ist ein guter Sieg, aber auch kein Sieg.

Weil Blairs Mehrheit zusammengeschmolzen ist und ihn die Linke in der Fraktion künftig eher unter Druck setzen kann?

Ja. Und es gibt noch eine weitere Merkwürdigkeit: Zum ersten Mal in unserer politischen Geschichte hat sich diesmal ein Premierminister den Wählern mit der Ansage gestellt, beim nächsten Mal nicht mehr kandidieren zu wollen.

Was bedeutet Blairs erneuter Erfolg für die britischen Konservativen, die sich einmal als natürliche Regierungspartei auf der Insel gesehen haben?

Der Wahltag war ein schlechter Tag für die Tories, die britischen Konservativen. Sogar Parteiführer Michael Howard hat unmittelbar nach der Wahl nicht davon sprechen wollen, dass seine Partei seit dem Machtverlust im Jahr 1997 schon gänzlich genesen ist – das konnte er auch nicht. Wenn die Tories mehr Sitze als bei der letzten Unterhauswahl errungen haben, so war das ein Schritt zur Rückkehr an die Macht beim nächsten Mal – mehr aber sicher nicht.

Nicht nur die Tories konnten Stimmenzuwächse verbuchen, sondern auch die Liberaldemokraten. Ist Großbritannien auf dem Weg zu einem Drei-Parteien-System?

Nein, auf keinen Fall. Die Liberaldemokraten haben die Grenze dessen erreicht, was für sie politisch möglich war. Zwar war es kein unintelligenter Schritt des Parteivorsitzenden Charles Kennedy, die Partei links von „New Labour“ zu platzieren. Im Südwesten Großbritanniens hatte dies aber negative Folgen für die Liberaldemokraten: Dort ist die Partei vielen Wählern zu links geworden, sie sind zu den Tories zurückgekehrt.

Es wird nun darüber spekuliert, wann Blair von seinem parteiinternen Rivalen Gordon Brown abgelöst wird. Auf welchen Zeitpunkt wetten Sie?

Ein solcher Wechsel dürfte eher früher als später stattfinden.

Wofür steht Gordon Brown in der internationalen Politik?

Er ist den Amerikanern sehr nahe. Sein Blick ist eigentlich viel mehr nach Amerika gerichtet als nach Europa. Das kann man auch daran ablesen, wie stark er stets die Bedeutung des Marktes betont.

Kann Bundeskanzler Gerhard Schröder etwas aus Blairs Wahlerfolg lernen?

Natürlich ist unser Wahlsystem anders als das deutsche. Aber die große Lehre für Deutschland besteht doch darin, dass eine Koalition von der moderaten Linken bis zur rechten Mitte auf Dauer Bestand haben kann – und dies noch auf weitere vier, fünf Jahre.

Das Gespräch führte Albrecht Meier.

Anthony Glees ist Director of European Studies an der Londoner Brunel University. Der Deutschlandkenner beschäftigte sich jüngst mit Aktivitäten der Stasi in Großbritannien.

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