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Politik: Ein Sieg – auch über die Vergangenheit?

Kambodschas Ministerpräsident hat die Wahlen gewonnen. Ein UN-Tribunal zur Herrschaft der Roten Khmer wird damit schwieriger

Die Dinge liegen günstig für den amtierenden kambodschanischen Ministerpräsidenten Hun Sen, in mehrfacher Hinsicht. Aus der Parlamentswahl ist seine regierende Kambodschanische Volkspartei (CPP) als klarer Sieger hervorgegangen. Nach Auszählung aller Stimmen am Dienstag erreichte sie voraussichtlich 73 der 123 Parlamentssitze. Das wären neun Mandate mehr als in der abgelaufenen Legislaturperiode, obgleich die CPP damit knapp die Zweidrittelmehrheit, mit der sie alleine hätte regieren können, verfehlte. Sie steht jetzt vor vermutlich schwierigen Koalitionsverhandlungen.

Aber das wird Hun Sen verschmerzen. Ihn haben die Wahlen bestätigt, und das kann ihm auch bei dem bevorstehenden Kriegsverbrechertribunal von großem Nutzen sein. Seine Machtfülle erlaubt es ihm, sich Schweigen zu erkaufen oder Immunität zu sichern. Auch wenn gegen Hun Sen als früherem Offizier der Roten Khmer keine Anklage vorliegt, so ist doch nicht auszuschließen, dass ein sich lange hinziehendes Tribunal einiges ans Licht bringen kann, das sich der Ministerpräsident lieber im Dunkeln wünscht.

Es hat Jahre gedauert, bis zwischen den Vereinten Nationen und der Regierung in Phnom Penh ein solches internationales Tribunal vereinbart worden war, das nach einem Vierteljahrhundert über die Verbrechen der Roten Khmer richten soll. In der Zeit von 1975 bis 1979 haben während der Terrorherrschaft der Roten Khmer rund 1,7 Millionen Menschen ihr Leben verloren, die meisten in den berüchtigten Konzentrationslagern oder auf den „Killing Fields“ am Rande der Hauptstadt, die heute noch zu besichtigen sind. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat dem Abkommen über das Tribunal inzwischen zugestimmt, doch ist die Abstimmung in der kambodschanischen Nationalversammlung wegen der Parlamentswahlen auf Herbst verschoben worden. Allerdings sind die Zweifel groß, ob angesichts der Korruption in dem südostasiatischen Land, der massiven politischen Einflussnahme auf die Justiz und der nach wie vor mangelnden Sicherheit ein solches UN-Tribunal überhaupt in der Lage sein wird, unbefangen und ohne Druck zu arbeiten. Der Mord an einem hohen Richter kürzlich hat diese Zweifel noch verstärkt.

Ministerpräsident Hun Sen, der sich 1997, ein Jahr vor den letzten Wahlen, in einem blutigen Coup seines Rivalen Prinz Norodom Ranariddh entledigt hatte, war lange Zeit einen Zickzackkurs gefahren. Zunächst wollte auch er einen internationalen Prozess im Stil des Jugoslawien-Tribunals. Dann forderte er die UN auf, ein solches Gericht auch auf andere Verbrechen während des Bürgerkriegs im Land auszuweiten. Dies müsse, so Hun Sen seinerzeit, die Bombenangriffe der Amerikaner auf Kambodscha bis 1975 ebenso einschließen wie die Unterstützung der Roten Khmer durch die USA, China, Großbritannien und andere in den 80er Jahren.

Seinen Kritikern hatte der Machtpolitiker Heuchelei vorgehalten. Duldete die internationale Gemeinschaft es doch, dass die mit Vietnam verfeindeten Roten Khmer Kambodscha in den Vereinten Nationen vertreten durften und noch 1991 das Pariser Friedensabkommen unterzeichneten. Wie sollten die Ankläger eines Tribunals glaubwürdig auftreten, wenn viele Regierungen mit den Roten Khmer gemeinsame Sache gemacht haben? Schließlich beugte sich Hun Sen jedoch dem internationalen Druck – und stimmte zu.

Robert Luchs[Phnom Penh]

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