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Politik: Ein Trauma mit Folgen

Nach dem Brandanschlag: Al Masri hat nach Psychologensicht die Entführung nicht aufarbeiten können

Berlin - Khaled al Masri schweigt. Bislang konnten die Ärzte in der Psychiatrie im schwäbischen Kaufbeuren den Deutsch-Libanesen nicht zum Reden bewegen. Dort war der 43-Jährige am Donnerstag eingewiesen worden, nachdem er Feuer in der Neu-Ulmer Filiale des Metro-Großmarktes gelegt hatte. Zudem hatte al Masri nach einer Auseinandersetzung mit einem Angestellten offenbar auch Drohbriefe gegen den Markt verfasst. Bereits im Februar dieses Jahr war er aufgefallen, weil er gegen den Mitarbeiter eines Weiterbildungsinstituts handgreiflich geworden war. Al Masri war Anfang 2004 vom amerikanischen Geheimdienst CIA in Mazedonien entführt, nach Afghanistan verschleppt und dort gefoltert worden.

Ein Schicksal, das der 43-Jährige offensichtlich noch nicht verarbeitet hat. „Er befindet sich in einer Zwickmühle“, sagte Manfred Makowitzki, Soziologe und organisatorischer Leiter des Ulmer Behandlungszentrums für Folteropfer, dem Tagesspiegel. „Einerseits muss er öffentlich auf allen Ebenen für seine Rehabilitation kämpfen, andererseits brauchte er Ruhe, um das Erlebte mit therapeutischer Unterstützung zu verarbeiten“, sagt Makowitzki. Al Masri macht in dem Ulmer Behandlungszentrum seit Februar 2006 eine ambulante Verhaltenstherapie. In den bisherigen Sitzungen habe der Schwerpunkt darauf gelegen, al Masri zu stabilisieren. Allerdings hätten sich dessen zahlreiche öffentliche Auftritte – wie der vor dem BND-Untersuchungsausschuss im Juni 2006 – offenbar negativ auf seine Therapie ausgewirkt. „Es ist höchst belastend, vor aller Augen immer wieder darlegen zu müssen, was geschehen ist“, sagt Makowitzki. Auf eine direkte Bearbeitung der traumatischen Erfahrungen, die eigentlich Bestandteil der Therapie seien, habe die zuständige Psychologin daher verzichten müssen. Diese hätten sonst gewirkt, „als würde man jemanden von zwei Seiten gleichzeitig anzünden. Das überfordert jeden, selbst einen psychisch Gesunden.“

Manfred Gnjidic, al Masris Anwalt, muss geahnt haben, dass seinem Mandanten allein mit Stabilisierungsmaßnahmen nicht geholfen ist. „Eilt sehr!“, steht in Großbuchstaben über dem Fax, das er am 26. April 2007 an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschickt hat und das dem Tagesspiegel vorliegt. „Es mehren sich die Anzeichen, dass mein Mandant zusammenbricht“, heißt es in dem Schreiben. „Ich bitte Sie, zu veranlassen, dass mein Mandant die bestmögliche Psychotherapie erhält.“ Der Ulmer Jurist sagte dem Tagesspiegel, er habe den „Hilferuf“ an die Kanzlerin in Absprache mit al Masris behandelnder Psychologin verfasst. „Mein Mandant braucht eine intensiv-therapeutische Behandlung, bei der auch dessen Familie miteinbezogen wird“, sagt Gnjidic. „Bislang hat al Masri wie ein Bär alles über sich ergehen lassen“, sagt Gnjidic. „Jetzt kann er nicht mehr.“ Das Kanzleramt hat sein Schreiben inzwischen an die Bayrische Staatskanzlei weitergeleitet – diese wiederum hat das Hilfegesuch ans Innen-, Gesundheits- und Sozialministerium geschickt. „Wenn Herr Gnjidic nicht weiß, wo er mit seinem Mandanten hin soll, sind wir gerne bereit, passende Adressen zu nennen“, sagt Bernhard Seidenath vom bayrischen Sozialministerium. „Wir wissen aber gar nicht, an welcher Stelle es eigentlich hakt.“

Es sieht derzeit also nicht so aus, als ob es, wie es der Anwalt Gnjidic fordert, vonseiten der Politik ein Signal der Unterstützung für al Masri geben wird. „Seine Geschichte nimmt einen tragischen Lauf“, sagt der Obmann des BND-Untersuchungsausschusses, Thomas Oppermann (SPD): „Ich verstehe nicht, warum al Masri keine adäquate Behandlung bekommen hat.“ Oppermann ist der Auffassung, dass die deutsche Bundesregierung mögliche Versäumnisse im Fall des Deutsch-Libanesen durch Hilfe beim derzeit in den USA anhängigen Verfahren kompensieren und ein positives Zeichen setzen könnte. „Vielleicht kann die Kanzlerin wie im Fall Kurnaz ja bei Präsident Bush vorsprechen, damit al Masri ein faires Verfahren um seine Rehabilitation und Schmerzensgeld bekommt“, sagt der SPD-Politiker.

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