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Politik: Ein Verfahren wurde vertagt, in dem weder Recht noch Unrecht eine Rolle spielen. Hofers Verfehlung ist es, Deutscher zu sein

Seit zwei Jahren muss Helmut Hofer um sein Leben bangen. Seine Verurteilung zum Tod durch den Strang wurde bestätigt und widerrufen, wieder aufgeschoben.

Seit zwei Jahren muss Helmut Hofer um sein Leben bangen. Seine Verurteilung zum Tod durch den Strang wurde bestätigt und widerrufen, wieder aufgeschoben. Am Mittwoch erneut. Der Prozess soll nun in drei bis vier Wochen stattfinden. Immer wieder musste Hofer, wenn er sich in seiner grauen, pyjamaartigen Kluft im Evin-Gefängnis auf die Pritsche legte, befürchten, am nächsten Morgen von den Schergen der Mullahs abgeholt und aufgehängt zu werden. Zwei Jahre Lebenszeit hat die iranische Regierung ihm geraubt. Mit dem Leben ist er bislang davon gekommen. Vielleicht. Denn auch am Mittwoch wurden die Zusicherungen von Irans Staatspräsidenten Chatami an Bonn nicht eingelöst: Hofer Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Das hieße Freiheit.

Als Hofer, ein kleiner Geschäftsmann, am 21. September 1997 bei seiner Ankunft auf dem Teheraner Flughafen verhaftet wurde, begann eine bittere Farce für den Mann. Er wurde angeklagt, mit einer Moslemin geschlafen zu haben. Das gilt im Iran, bei Unverheirateten, als Unzucht. Und treibt ein Nichtmoslem mit einer Moslemin Unzucht, droht der Galgen. Recht oder Unrecht spielten von Anfang an keine Rolle, und auch das Gerichtsverfahren, das im Januar 1998 zum Todesurteil führte, war eine makabre Veranstaltung, in der sich herausstellte, dass die Studentin noch Jungfrau war und die Anklage nicht jene, wie es alter iranischer Brauch will, vier männlichen Zeugen für den verdammenswerten Akt auftreiben konnte.

Hofers Verfehlung ist, Deutscher zu sein. Ein Subjekt jenes Staates, dessen Justiz es wagte, im Berliner "Mykonos"-Verfahren festzustellen, dass die iranische Staatsspitze 1992 ein vierfaches Mordattentat gegen Oppositionelle angeordnet hatte. Hofer wurde politischer Gefangener eines Staates, in dem Rachegedanken Vernunft und politische Berechenbarkeit vernebeln. Hofer wurde vom iranischen Staat zur Geisel genommen.

Die iranische Staatsspitze leistete sich in den zwei Jahren, in denen sie Hofer schmoren und die Bundesregierungen wirbeln ließ, eine Reihe von Torheiten und lächerlichen Kinkerlitzchen, die in einem berechenbaren und zivilisierten Staatswesen undenkbar sind. Teheran ließ, beispielsweise, im Frühjahr einen Gerichtstermin platzen, indem es einen Dolmetscher nicht erscheinen und stattdessen durchblicken ließ, der Mann halte sich noch bei der Abschiedsfeier des Justizministers auf...

Die Bundesregierung schreibt solche Verzögerungsmethoden den innenpolitischen Zuständen, dem nicht entschiedenen Machtkampf zu. Sie ist der Auffassung, dass Hofer zum Spielball zwischen den Interessen des Staatspräsidenten Chatami und des Religiösen Oberhauptes Chamenei wurde. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als auf den "good guy", den Staatspräsidenten Chatami zu setzen. Da man in Bonn weiß, dass Chatami zur eigenen Aufwertung einen Staatsbesuch in Deutschland braucht, hat die Regierung signalisiert, ein solcher Besuch käme in Frage, wenn Hofer freikäme. Verbürgt ist, dass die Bundesregierung ernsthaft einen Neuanfang mit Iran starten will und damit auch dem drängenden Wunsch der Industrie nachkommt, die Regierung möge ihnen dieselben Startchancen schaffen, deren sich bereits Frankreichs, Italiens und Großbritanniens Wirtschaft erfreuen.

Die Regierung ging in ihrem Engagement für Hofer so weit, im Frühjahr durch Druck auf die Bundesanwaltschaft die Verhaftung des mutmaßlichen iranischen Agenten Chorsand so lange zu verschieben, bis Hofers Gerichtstermin über die Bühne gegangen war. Das geschah aus Angst davor, dass Iran den Gerichtstermin platzen lassen würde, würde der Iraner verhaftet. Wie gerechtfertigt das Misstrauen der Regierung war, erwies sich prompt. Kaum war der Mann im Juli verhaftet, legte die Anklage in Teheran nach und zieh Hofer des Kontakts mit "verdächtigen ausländischen Mächten", der Spionage.

Die Torheiten Irans in der Affäre Hofer, von der mit fadenscheinigen Vorwürfen gepflasterten Verhaftung, über den Scheinprozess bis hin zu den Schikanen gegen Hofer und die ihn betreuenden Diplomaten sind Ausdruck eines beleidigten Gemütes, das seit dem "Mykonos"-Urteil nach schier unstillbarer Satisfaktion ruft. Das bedrückte Gemüt hat aber nicht zu grösserer Weisheit geführt, und eine Einschränkung der iranischen Spionageaktivitäten eingeläutet. Irans Agenten, das versichern die Experten, sind weiterhin so aktiv und gefährlich wie zu Zeiten des "Mykonos"-Attentats. Und bei ihnen, da haben es die Dienste einfacher als die Regierung, macht es keinen Unterschied, ob sie zu Chatami oder Chamenei halten.

Rüdiger Scheidges

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