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Politik: Ein Wagnis

Von Albrecht Meier

Frankreich wagt den Bruch mit der Vergangenheit. Mit der Wahl von Nicolas Sarkozy zum Präsidenten haben sich die Franzosen für einen Mann entschieden, der ungewöhnlich ist für dieses Amt: Er formuliert scharf, polarisiert bewusst, hat keine Angst, sich Feinde zu machen. Von den Präsidenten Frankreichs war man in den letzten Jahrzehnten anderes gewohnt. Als Wahlmonarchen mussten sie versuchen, über den Parteien zu stehen, auszugleichen. Von Sarkozy erwarten die Franzosen zunächst etwas anderes: Er soll dem Land zu neuer Dynamik verhelfen, mit weniger Staat und mehr Markt. Es spricht vieles dafür, dass Sarkozy der Richtige ist, diese Aufgaben zu meistern. Dennoch bleibt seine Wahl ein Wagnis.

Wie kein anderes politisches Ereignis im vergangenen Jahrzehnt hat diese Wahl die Franzosen elektrisiert. Und es war auch eine echte Wahl. Das lag weniger an den unterschiedlichen Programmen, die der Konservative Sarkozy und seine sozialistische Kontrahentin Ségolène Royal zu bieten hatten. Vor allem die Persönlichkeiten der beiden Kandidaten waren es, die den Wahlkampf so spannend machten. Hier der impulsive, ehrgeizige Sarkozy, dort Royal, die vor allem in der Rolle als Zuhörerin die Herzen gewinnen wollte. In diesem Duell ist es ihr nicht gelungen, die Wähler in der Mitte zu überzeugen. Zu vage blieb ihr Programm. Da verfing auch der Appell nicht mehr, die Franzosen sollten sich einen Ruck geben und einer Frau den Weg in den Elysée-Palast ebnen.

Nun also Sarkozy. Die Wähler waren klug genug, sich trotz aller Dämonisierungsversuche ein eigenes Bild von dem Kandidaten zu machen. Sie trauen Sarkozy eher als Royal zu, die Staatsverschuldung zu senken und Frankreichs Wirtschaft auf Wachstumskurs zu bringen. Dennoch muss er als Präsident zunächst einmal all die überzeugen, die ihn nicht gewählt haben. Trotz seines Triumphs bleibt vielen Franzosen der Machtmensch Sarkozy unheimlich, seine Nähe zur Wirtschaft, sein weit reichendes persönliches Netzwerk mit gegenseitigen Abhängigkeiten.

Während also die Anhänger der politischen Linken in Frankreich die ersten Schritte Sarkozys im Präsidentenamt mit Argusaugen beobachten werden, so darf er auf internationaler Ebene mit mehr Kredit rechnen. Seine Wahl wird vielerorts von gespannter Erwartung begleitet: Wird er Frankreich dichter an die USA heranführen? Wird er, aus europäischer Sicht, einen Ausweg aus der EU-Verfassungskrise aufzeigen? Schon im Juni muss Kanzlerin Angela Merkel als EU-Ratspräsidentin beim nächsten Gipfel die Konturen eines neuen Grundvertrages skizzieren, der an die Stelle der vor zwei Jahren in Frankreich abgelehnten EU-Verfassung treten soll. Dabei kommt es vor allem auf die Mitarbeit Sarkozys an. In Berlin hält man ihm zugute, dass er – anders als Royal es wollte – nicht das Risiko eines erneuten Referendums über eine Neufassung des Verfassungtextes eingehen möchte.

Ob sich Sarkozy in Merkels Operation „Wir retten möglichst viel von der EU-Verfassung“ wirklich als konstruktiver Partner erweist, muss sich noch zeigen. Man darf gespannt sein, wie das deutsch-französische Duo künftig funktioniert. Merkel hat ihre Erfolge in der Europapolitik vor allem der Fähigkeit als stille Vermittlerin zu verdanken. Sarkozy ist zum Präsidenten gewählt worden, gerade weil er das offene Wort schätzt. Wenn aus dieser Spannung Neues wächst – Europa wäre es zu wünschen.

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