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Politik: Ein wahrer Dienst an der Öffentlichkeit

VERDIS TARIFSTREIT

Von Lorenz Maroldt

Andreas Fritz aus Berlin, 33, verheiratet, seit zwölf Jahren bei der Feuerwehr, ist Verdis Mustermann. Auf großen Farbanzeigen wirbt die Dienstleistungsgewerkschaft mit seinem Bild, seiner Arbeit, seinem Lohn für ihre Forderung im Tarifstreit: deutlich mehr als drei Prozent. Netto verdient unser Feuerwehrmann 1669 Euro im Monat. Das ist nicht viel, weder relativ, noch absolut. Hätte es Andreas Fritz nicht verdient, etwas mehr zu verdienen? Wenigstens drei Prozent, also gerade mal fünfzig Euro?

Der Wunsch nach einer Gehaltserhöhung lässt sich, ganz generell, mit drei Argumenten vertreten: besondere Leistung des Arbeitnehmers, Inflation, wachsendes Vermögen des Arbeitgebers. Im Fall von Andreas Fritz sieht das so aus: Nach Angaben von Verdi hat er 75 Mal Erste Hilfe geleistet, 41 Unfallspuren abgesichert, 26 Ölspuren beseitigt. Aber ist das nun viel, normal oder wenig? Und ist das in jedem Monat so? Wir erfahren es nicht, und es spielt auch gar keine Rolle. Verhandelt wird pauschal für alle, und so muss die Leistung des Öffentlichen Dienstes insgesamt geprüft werden. Die jedoch ist nur schwer zu beurteilen. Man könnte sagen: Seit Jahren ist der Öffentliche Dienst grundsätzlich zu Verbesserungen bereit, hat auf zehntausende Stellen verzichtet, ist hier und dort effizienter geworden. Wahr ist aber auch, dass es keine Aufgabenkritik gibt, und dass nicht Leistung belohnt wird, sondern Beharrungsvermögen: Je länger, desto mehr. Das reizt nicht. Und reicht nicht.

Das zweite Argument für eine Gehaltserhöhung: Inflation. Doch billiger als heute lebten wir lange nicht mehr. Käse wie Kaviar, Jacke wie Hose – alles rabattiert und gedumpt, so dass die Zeichen eher auf Deflation stehen als auf Inflation.

Kommen wir zum Arbeitgeber, kommen wir: zu uns. Der Öffentliche Dienst wird aus den Steuereinnahmen des Staates bezahlt. Aber dem Staat, wem wäre das wohl entgangen, geht es nicht mehr so gut wie noch im vergangenen Jahr. Und langsam sackt überall die Erkenntnis, dass da nichts von allein wieder besser wird, dass es so jedenfalls nicht mehr weiter gehen kann. Die Sozialsysteme kollabieren, und vom Schuldenberg rollt eine Lawine auf unsere Erben zu, 170 Millionen Euro pro Tag – nur für Zinsen.

Mit zwei Argumenten hält die Gewerkschaft dagegen. Das eine klingt schrill in den Ohren, es lautet: So war es schon immer. Die Arbeitgeber haben angeblich nichts zu verteilen, und die Arbeitnehmer bekommen am Ende dennoch mehr Geld – quasi ein Gewohnheitsrecht. Aber das genau ist ein Teil des Problems: Die Gewöhnung steht der Erkenntnis im Wege. So war es schon immer – das kann nicht so bleiben. Das andere Argument der Gewerkschaften lautet: Es gibt genug Geld, nur haben es eben die Falschen; also Besserverdiener, die zu wenig, und Großunternehmen, die gar keine Steuern mehr zahlen. Vielleicht haben sie da sogar recht. Doch ist das keine Antwort auf die genannten Probleme, sondern lenkt von diesen nur ab.

Mit den alten Reflexen lässt sich nichts mehr gewinnen, und auch nicht mit Ritualen von gestern. Ein Streik wäre heute gefährlich – für die Streikenden. Mit Verständnis, gar Unterstützung können sie diesmal nicht rechnen. Sie haben, wovon viele nur träumen: einen sicheren Arbeitsplatz. Sie kämpfen für mehr, während andere bangen, dass ihnen nichts abgeknöpft wird. Verdi fordert, das Einkommen von Feuerwehrmann Fritz müsse „mit der privaten Wirtschaft Schritt halten“ können. Wer vergleicht, wird schnell merken: Da kann es nicht nur um die Einkommen gehen, sondern auch um Sicherheit in diesen unsicheren Zeiten.

Bleibt noch – die Verantwortung. Die trägt der Staat, und zwar doppelt: zum einen für seine Beschäftigten und deren Vertreter; wer sagt, die Existenz der Gewerkschaft sei durch eine Nullrunde bedroht, unterstellt einen Automatismus, der durch nichts belegt ist. Zum anderen gibt es da die Verantwortung des Staates gegenüber all jenen, deren Geld er verteilt oder eben auch nicht. Verantwortung über den Tag hinaus trägt aber ebenso die Gewerkschaft, auch für sich selbst. Sie sollte dem Feuerwehrmann Fritz deshalb die Wahrheit sagen, so hart sie auch klingt: Heute bekommt er nur mehr, wenn er morgen dafür teuer zahlt. Das einzusehen wäre schon eine Leistung – die anerkannt würde.

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