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Politik: Ein zweiter Fall Kurnaz?

Ein muslimischer Buchverleger aus München geriet in Bosnien in die Hände der Amerikaner

Berlin - Er wurde massiv geschlagen, in eine offenbar verdreckte Zelle gesteckt und mit Schlafentzug gequält. Abdel-Haliem Khafagy galt den Amerikanern als terrorverdächtig, obwohl keine Beweise bekannt sind. Im Fall des Ägypters, den das US-Militär kurz nach den Anschlägen des 11. September 2001 in Bosnien festnahm und misshandelte, erscheint aber auch das Verhalten der damaligen Bundesregierung fragwürdig. Vermutlich überließ sie Khafagy seinem Schicksal – obwohl er seit Jahren in Deutschland lebte und einen unbefristeten Aufenthaltsstatus genießt. In Sicherheitskreisen heißt es sogar, er sei anerkannter Asylbewerber. Hinzu kommt, dass Bundeskriminalamt und Bundesnachrichtendienst, wie berichtet, in Bosnien schon im Herbst 2001 erfuhren, dass die Amerikaner den damals etwa 70 Jahre alten Ägypter übel zugerichtet hatten.

Der Obmann der Grünen im BND-Untersuchungsausschuss, Hans-Christian Ströbele, hält den Aufklärungsbedarf für so groß, dass die damaligen Verantwortlichen aus Politik und Sicherheitsbehörden „befragt werden müssen“. Ströbele nennt unter anderem den ehemaligen Chef des Kanzleramts und heutigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier sowie den einstigen Bundesinnenminister Otto Schily. Das sieht Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linkspartei), die auch im Ausschuss sitzt, genauso – und sie will von der Bundesregierung wissen, ob nicht anhand des Falles Khafagy schon 2001 hätte klar sein müssen, mit welchen Methoden die Amerikaner nach Terrorverdächtigen suchen. Für den FDP-Obmann im Ausschuss, Max Stadler, zeichnen sich, „sollten die Recherchen der Medien zutreffen“, Parallelen zum Fall des von den Amerikanern jahrelang in Guantanamo festgehaltenen Bremer Türken Murat Kurnaz ab. Den wollten die Amerikaner offenkundig der Bundesrepublik schon 2002 übergeben, was die deutsche Regierung abgelehnt haben soll.

Nach Recherchen des Tagesspiegels kam Khafagy, der in München den kleinen islamischen Buchverlag „SKD Bavaria“ betrieb, im Sommer 2001 nach Sarajevo, mit seinem jordanischen Schwager. Die beiden wollten mit einer Druckerei über die Produktion von Koranausgaben in Bosnisch verhandeln. „Eines Morgens rief eine entsetzte Hotelangestellte bei Familie Khafagy in München an“, sagt ein ehemaliger Stabsunteroffizier der Bundeswehr, der den Ägypter zufällig kennt und 2001 bei der Sfor Dienst tat, der Nato- Schutztruppe für Bosnien. Die Frau aus dem Hotel habe berichtet, Khafagys Zimmer sei voller Blut, Amerikaner hätten die beiden Gäste abgeholt. Das war wenige Tage nach dem Terrorangriff des 11. September. Der Ex-Unteroffizier, selbst Muslim, hält den Terrorverdacht bei Khafagy für abwegig. „Die Amerikaner haben nicht mehr gewusst, als dass er in Ägypten bei den Muslimbrüdern war und in Deutschland einen Verlag hatte.“ Die Muslimbrüder sind die älteste islamistische Vereinigung Arabiens. Khafagy hatte in Ägypten wegen seiner Verbindungen jahrelang im Gefängnis gesessen.

Das US-Militär brachte die zwei Männer zur „Eagle Base“ in Tuzla. Kurz darauf kamen zwei BKA-Beamte und ein BND- Dolmetscher, um Khafagy zu befragen. Als die Beamten blutverschmierte Unterlagen Khafagys sahen, reisten sie nach Rücksprache mit der Bundesanwaltschaft ab. Die Amerikaner flogen Wochen später Khafagy nach Ägypten und den Schwager nach Jordanien. Die Ägypter ließen Khafagy frei. Nach Informationen des Tagesspiegels schrieb einer der BKA-Beamten einen Bericht über die Erlebnisse in Tuzla. Wo das Papier blieb, ist unklar. Die nicht-öffentliche Befragung des Beamten am Donnerstag durch den BND-Untersuchungsausschuss brachte keine Erkenntnisse. Anfragen des Tagesspiegels zum Fall Khafagy bei mehreren Behörden sind seit Tagen erfolglos geblieben.

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