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Politik: „Eindeutig eine rechte Tat“

Die Mörder von Willi Worg sind inzwischen verurteilt. Auch bei Marinus Schöberl ist der Staatsanwalt sicher: Neonazis haben ihn umgebracht

Der 17 Jahre alte Marinus Schöberl wird am 12. Juli 2002 im brandenburgischen Dorf Potzlow von drei jungen Rechtsextremisten zu Tode gequält. Zunächst schlagen die Täter, zwei Brüder im Alter von 17 und 23 Jahren sowie ein weiterer 17Jähriger, bei einem Besäufnis in einer Privatwohnung auf Schöberl ein. Die Schläger halten das Opfer für minderwertig. Schöberl leidet an Sprachstörungen, außerdem entsprechen seine blondierten Haare und weiten Hosen nicht dem Geschmack der Rechtsextremisten.

Sie pöbeln den wehrlosen Jugendlichen an, „sag, dass du ein Jude bist". Die Täter flößen Schöberl zwischen den Schlägen Bier und Schnaps ein, außerdem urinieren sie auf seinen Kopf und Körper. Mindestens zwei erwachsene Augenzeugen beobachten die Misshandlung, helfen aber dem erkennbar wehrlosen Opfer nicht.

Schließlich zerren die Schläger Marinus Schöberl in einen stillgelegten Schweinestall. Der schon schlimm zugerichtete Jugendliche wird weiter geprügelt und gezwungen, in den Rand eines Schweinetrogs zu beißen. Als das Opfer am Boden liegt, versetzt ihm einer der Täter gezielte Tritte an den Kopf, so wie er es in einem US- Film über Skinheads gesehen hat. Nach mehr als vier Stunden Folter ist Schöberl tot. Die Täter verscharren den Jugendlichen in einer Jauchegrube. Erst im November 2002 wird die Leiche entdeckt. Einer der Schläger hat in Potzlow mit seiner Tat geprahlt.

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hat die Täter wegen Mordes angeklagt. „Das war eindeutig eine rechte Tat", heißt es in der Behörde. Einer der Rechtsextremisten verprügelt einige Wochen nach dem Tod von Marinus Schöberl einen afrikanischen Asylbewerber im nordbrandenburgischen Prenzlau. Zwei Potzlower Augenzeugen der Misshandlung Schöberls müssen sich wegen unterlassener Hilfeleistung verantworten.

In der Nacht zum 25. März 2001 wird der 38-jährige Willi Worg in Milzau (Sachsen-Anhalt) von fünf jungen Männern zusammengeschlagen. Drei Tage später stirbt er an seinen schweren Verletzungen. Fast alle Organe im Bauch sind gerissen. Die Staatsanwaltschaft Halle zählt die Täter zur rechten Szene und spricht von „unglaublicher Brutalität". Dennoch vermutet die Behörde unpolitische „Rache", weil das Opfer einige Monate vor dem Angriff den 19-jährigen Haupttäter wegen unterlassener Hilfeleistung bei einem Verkehrsunfall angezeigt hat. Außerdem hätten die Schläger von Worg Geld verlangt, bevor sie ihn traktierten. So lautet die Anklage auf versuchten Raub und Körperverletzung mit Todesfolge.

Die Jugendkammer des Landgerichts Halle bewertet die Motivation der Täter anders. Am 13. November 2001 werden die fünf Angeklagten wegen Mordes und Beihilfe zum Mord zu Strafen zwischen vier und acht Jahren Haft verurteilt. In der Urteilsbegründung sagt die Vorsitzende Richterin, die Täter hätten Worg „regelrecht zertreten“. Die Kammer sehe einen Zusammenhang zwischen der brutalen Tat und der rechten Gesinnung der Schläger. „Erst in der Gruppe, die die Gewalt und die Morde der Altvorderen verherrlicht, bekamen sie die Einstellung, eine solch furchtbare Sache zu machen", sagt die Richterin. Geltungsbedürfnis und falsch verstandene Kameradschaft, gepaart mit Menschenverachtung und Gleichgültigkeit, hätten zu der Tat geführt. Der 19-jährige Haupttäter gibt sich jedoch unbelehrbar: In der Untersuchungshaft lässt er sich ein Hakenkreuz auf den Bauch tätowieren.

Obwohl Landesinnenminister Klaus-Jürgen Jeziorsky (CDU) im Juni 2002 dem Fernsehmagazin Panorama sagt, die Sicherheitsbehörden werteten Worgs Tod als politisches Delikt, wird die Tat in keiner offiziellen Statistik als rechts motiviert aufgeführt.

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