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Grenzfrage. Bis zu sechs Stunden dauern die Kontrollen für Spanier, wenn sie nach Gibraltar einreisen.

© AFP

Eine Flotte für Gibraltar: Streit zwischen Spaniern und Briten eskaliert

Stundenlange Grenzkontrollen und viele andere Schikanen. Der Zwist zwischen Spanien und Großbritannien um Gibraltar hat sich am Wochenende wieder einmal zugespitzt.

Mehr als zwei Wochen lang waren sich die beiden Seiten nur verbal angegangen. Nun haben die Briten eine vom Hubschrauberträger HMS Illustrious angeführte Flotte Richtung Gibraltar losgeschickt. Es handele sich um „ein lang geplantes Routinemanöver“, versicherte das britische Verteidigungsministerium. Aber trotzdem erwähnte Premierminister David Cameron die Flotteneinheit bei einem Telefonat mit seinem spanischen Amtskollegen Mariano Rajoy.

Gibraltars Chefminister Fabian Picardo hatte eine stärkere Flottenpräsenz gefordert, um den Spaniern zeigen zu können, wo in Gibraltar die britischen Hoheitsgewässer sind. Um nichts anderes gehe es bei dem Disput, der sich vor Wochen an einem von Gibraltar errichteten Kunstriff entzündet hatte. Zuvor seien immer wieder Schnellboote der Guardia Civil in Gibraltars Gewässer eingedrungen, einmal wurde sogar ein Jetskier beschossen.

Das umstrittene Riff soll einem Schiff, der spanischen „Divinia Providencia“, das Fischen in einer winzigen Bucht direkt neben der Landebahn des Flughafens verwehren. Nach Jahren der Überfischung durch spanische Boote hatte Gibraltar die Bucht für die Fischerei gesperrt. Nur die Divinia Providencia fischte weiter – laut Gibraltar eine gezielte Provokation. Als das kleine Meeresstück am 24. Juli mit Betonklötzen gesperrt wurde, begannen unverzüglich die spanischen Grenzschikanen: Bis sechs Stunden mussten Grenzgänger in glühender Hitze warten – Touristen, aber auch zehntausend Spanier, die jeden Tag nach Gibraltar zum Arbeiten kommen. Madrid rechtfertigt die Kontrollen mit zunehmendem Zigarettenschmuggel und damit, dass Gibraltar nicht zum Schengenraum ohne Passkontrollen gehöre.

Das Glücksspiel boomt, Umsatzsteuer wird nicht verlangt

Während ringsum in Andalusien bis zu 36 Prozent der Menschen arbeitslos sind, hat man in der zu Großbritannien gehörenden Enklave am Südzipfel der spanischen Mittelmeerküste Vollbeschäftigung. Hier blüht das Internetglücksspiel, die Unternehmenssteuer beträgt nur zehn Prozent, und Umsatzsteuer wird auch nicht verlangt.

Spannungen um Gibraltar gibt es, seit es den Briten 1713 am Ende des spanischen Erbfolgekriegs zugesprochen wurde. Spanien erkennt die britische Herrschaft über das 6,8 Quadratkilometer kleine Territorium mit dem markanten Felsen in der Mitte nicht an und fordert dessen Rückgabe. Unter den Mitgliedern des Schengenraums gibt es für gewöhnlich keine Personenkontrollen an den Staatsgrenzen. Großbritannien hat sich dieser Vereinbarung nicht angeschlossen.

Briten fürchten eine Wirtschaftsblockade

Spaniens Politik scheint es darauf anzulegen, die britische Identität der Kolonie zu stärken: In den 1960er und 1970er Jahren legte General Franco Gibraltar mit einer Blockade lahm. Erst recht stimmte Gibraltar 1967 in einem Referendum, britisch zu bleiben. Noch eindeutiger fiel ein Referendum 2002 aus. Damals arbeiteten Spanien und Großbritannien, beide von Linksregierungen geführt, einen Vertrag über eine geteilte Souveränität aus, aber Spaniens Regierungschef Aznar zog in letzter Minute zurück. Der damalige Europaminister Peter Hain schlug vor, jetzt den fertigen Vertragstext doch einfach aus der Schublade zu holen.

Die beiden jetzigen zwei Rechtsregierungen nehmen die Souveränitätsfragen ernster. „Großbritannien wird immer für die Menschen von Gibraltar einstehen“, versicherte Cameron. Nato- und EU-Partner Rajoy war nach seinem Amtsantritt 2011 aus einem Dreierforum ausgetreten, in dem Großbritannien, Spanien und Gibraltar nach einer 2006 unterzeichneten Vereinbarung zusammenarbeiteten.

Die Briten fürchten eine neue Wirtschaftsblockade. Spanien drohte, den spanischen Luftraum für Flüge nach Gibraltar zu sperren. Als Außenminister José García-Margallo am Wochenende nun eine Gebühr von 50 Euro für jeden Grenzübertritt ins Spiel brachte, fühlte sich Chefminister Picardo an eine „Mischung aus General Franco und einem nordkoreanischen Diktator“ erinnert.

Großbritannien legte erst einmal Beschwerde bei der EUKommission gegen „unproportionale Grenzkontrollen“ ein. Gebühren für Grenzübertritte gibt es bisher nirgends in Europa. Sie wären mit den EU-Gesetzen zur Mobilität und freien Arbeitsplatzwahl nur schwerlich vereinbar. Die EU-Kommission will frühestens im September oder Oktober Beobachter an die Grenze schicken, um festzustellen, ob die Kontrollen angemessen sind oder nicht.

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